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Rezension

Archiv für Liturgiewissenschaft, Jahrgang 62/63, 2020/2021

Das Vorwort (9−11) beginnt mit einem Zitat aus dem Buch zum Ruhm der Märtyrer (Liber in gloria martyrum 27), dem ersten der acht Bücher über die Wunder gallischer Heiliger von Gregor von Tours, das von einem Gebet der Apostel Petrus und Paulus »gegen Simon Magus« (9) auf einem Stein in Rom berichtet. Gregor erzählt das in einer Legende, die vermutlich im 2. Jh. n. Chr. entstanden ist. Mit dieser Eingangsnotiz deutet Vfn. an, wie sie die Genese des röm. Heiligenkults darstellen will. Ihre Studie, eine Göttinger Dissertation von 2014, befasst sich mit legendarisch Erzähltem und mit topographischen Überresten nicht distinktiv, vielmehr überprüft sie das »Zusammenspiel« (9 u. 126) beider. Kult besagt für Vfn. im engen Wortsinn das menschliche Aufschauen zu Ausnahmechristen. Die Arbeit spiegelt also nicht die theologische Dimension des Glaubens an Heilige und seine Geschichte, vielmehr soll die Zusammenschau der verschiedenen Zeugnisse klären, dass die frühen Christen Roms heilige Menschen zu Leitbildern (15.33.203) gemacht und verehrt haben. In zahlreichen Legenden habe sich dieses Verfahren dann weiterentwickelt. Anscheinend von der neuzeitlichen Diskursanalyse beeinflusst, will Vfn. aufzeigen, dass die röm. Dyade »Heilige und ihre Überreste« auf einem »Diskurs« basiert. Die Verzahnungen und Querverbindungen innerhalb der Quellen, die Vfn. feststellt, sind beträchtlich, wenn auch die meisten bereits erfasst und analysiert wurden. Problematischer scheint zu sein, dass zahlreiche Assertionen im Bereich des historisch Möglichen bleiben, eingeleitet mit Floskeln wie »vermutlich« und »wahrscheinlich«. Die zahlreichen Unsicherheiten in dem zu erörternden Diskurs zeigen Sätze an wie beispielsweise dieser: Es sei »bereits die Vermutung angestellt [worden], dass jene Ikonographie einer mit ausgebreiteten Armen stehenden Agnes eventuell ihrerseits [Papst] Damasus dazu inspirierte, ihren Tod literarisch auf den Scheiterhaufen zu verlegen« (154; mit Bezug auf Agnes − orans [148f] in Legende und Ikonographie [148–153]). Unter anderem unerwähnt bleiben in diesem Kontext die röm. Eucharistiegebete, in denen der Glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, zu denen auch Agnes gehört, Ausdruck findet, da seit dem 4. Jh. die Nennung von Heiligennamen für den Canon Romanus und andere Gebete bezeugt ist, parallel zu den Diptychen in ostkirchlichen Eucharistiegebeten, was einer (in den Westkirchen seit dem 11. Jh. praktizierten) Kanonisation entspricht. Vfn. erwähnt en passant weitere Hinweise und Beobachtungen zu zeichenhaft-dialogischen Ritualen sowie Zeugnisse des teilweise massenhaft einsetzenden Pilgerwesens. Doch scheint der darin sichtbar werdenden Glaubenspraxis keine Quellenqualität zugesprochen zu werden. Das Zusammenkommen und Feiern der Menschen wird ausschließlich für die Wissenskomponente in deren Tradierung herangezogen. So bleibt die Frage offen, ob im Umgang mit der Geschichte der röm. Kirche Brauchtum und religiöse Rituale, die unterschiedliche Facetten des praktischen Glaubenslebens nachvollziehbar machen, auch zu erfassen sind. − Nach der Einleitung (13–38) wendet sich der zweite umfangreichere Teil der Arbeit ausgewählten, frühen Heilige [n] in Rom (39–199) zu: Petrus und Paulus (41–78), Laurentius (79–129), Agnes (130–158), Maria und Rom (159–199). Dabei werden, vor allem in den Abschnitten über Laurentius und Agnes, manche andere röm. Heilige in die Untersuchung einbezogen, sofern sie zum Kontext der Primärheiligen gehören. In den Abschnitten über Maria in Rom wünschte man sich das eine und andere Mal, keine konfessionell eingefärbten Begrifflichkeiten zu lesen. Insgesamt kann Vfn. sich in ihren detailliert vorgetragenen Ausführungen auf ein Übermaß an publiziertem und analytisch erschlossenem Quellenmaterial stützen und, ihrer Fragestellung entsprechend, dieses neu einordnen. Grundlegend für die assertorischen Aussagen sind (vermutete) Gräber und Inschriften, Monumente und urkundliches Schriftgut, Symbolabbildungen, Tabellen, Listen, Kalender, besonders aber die tradierten Legenden, denen Vfn. eine starke formende Kraft zuspricht. In den verschiedenen »topographischen Angaben [wird] die Reaktion der Legendenschreiber auf die Gegebenheiten vor Ort und das Wechselspiel zwischen zunächst mündlich tradierter und schließlich aufgezeichneter Legende und den materiellen Hinterlassenschaften vor Ort deutlich erkennbar« (30). Wenn auch das konkrete Alltagsleben der röm. Christen, soweit es sich erheben lässt, für Vfn. kein hinterfragbares Moment der Untersuchung ist, trägt die Studie in den einschlägigen Kapiteln und Abschnitten ein großes, detailreiches Wissen zusammen, um es in den Abschnitten Die Quellen im Diskurs (73–78.126–129.153–158.194–199) und Ertrag (201–211) in den Fragehorizont der Arbeit zu übertragen. Sehr viele Einzelheiten sind, wie gesagt, bekannt und können zudem mit den medialen Mitteln von heute nachgelesen und überprüft werden. Wie weit der Versuch, einen Diskurs aufzuzeigen, gelungen ist, dazu vgl. u. a. die in Englisch abgefasste Besprechung des Zürcher Mediävisten Sebastian Scholz im Internet-Rezensionsorgan Bryn Mawr Classical Review (vom 24.7.2020).
Hans J. Limburg

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