Rezension
Lutherische Theologie und Kirche, 45. Jahrgang (2021) Heft 3
Spätestens seit der Aufklärung werden lutherische Theologie und Kirchen mit der Frage konfrontiert, wie man die lutherischen Bekenntnisschriften, die 1580 im Konkordienbuch zusammengefasst wurden, lesen soll. Mit guten Gründen könnte man ja behaupten, dass es sich um Texte handelt, die einen Erkenntnis- und Diskussionsstand der Zeit zwischen 1530 und 1577 abbilden. Wollte man die Bekenntnisschriften jedoch rein historisch betrachten, würde sich dagegen vermutlich einiger Widerstand formieren. Trotzdem besteht zu jeder Zeit die Herausforderung, die Bedeutung der lutherischen Bekenntnisschriften zu suchen, zumal sie in den lutherischen Kirchen nach der Heiligen Schrift als zentrale Lehrtexte gelten.
Werner Klän, bis 2018 Professor für Systematische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel, hat sich dieser Herausforderung mit seinem bereits 2018 erschienen Buch gestellt. Er möchte durch eine Auswahl von »Grund-Sätzen« aus dem Konkordienbuch dazu beitragen, »das lutherische Bekenntnis in der Weite und Fülle seiner Gedanken zu betrachten.« (9) Als systematischer Theologe ist er geradezu dazu berufen, enthalten die Schriften des Konkordienbuchs dichte theologische Aussagen, die das Wesen reformatorischen Christentums beschreiben.
Das Gliederungsprinzip für sein Buch in 17 Kapitel (21−195) gewann Klän aus den ersten 17 Artikeln des Augsburgischen Bekenntnisses. Allerdings bespricht er nicht jeden Artikel, sondern fasst beispielsweise CA 7 und 8 oder CA 11 und 12 zusammen, dafür erweitert er das Schema um Abschnitte über das Gebet (100−109) und »Gottes erwählendes Handeln und die Bekehrung der Christen« (135−140). Die 17 Kapitel bestehen jeweils aus einer unterschiedlichen Anzahl von Abschnitten, die wesentliche Gedanken eines Themas unter Rückgriff auf die Bekenntnisschriften benennen. In jedem Abschnitt werden zunächst Aspekte mitgeteilt, die als Hintergrundwissen zum historischen und theologischen Verstehen notwendig sind, darauf folgen Textpassagen, die von Klän so bezeichneten »Grund-Sätze«, aus dem Konkordienbuch, die schließlich nach einem festen Schema erschlossen werden: »1. Wo kommst du darin vor? – 2. Was sagt das über mich? – 3. Was macht das mit uns?« Klän folgt damit einem Vorschlag Notger Slenczkas die bekannte Frage aus Luthers Katechismus »Was ist das?« verständlicher in diese drei Fragen aufzuschlüsseln. Jedes Kapitel wird durch Literaturhinweise beschlossen. Um einen breiten Leserkreis anzusprechen, zitiert Klän nach der für die Gemeinden bestimmten Ausgabe der Bekenntnisschriften »Unser Glaube« (Gütersloh 62013).
Exemplarisch soll an dieser Stelle ein Kapitel näher vorgestellt werden. Kapitel 8 ist dem Gebet gewidmet, das Klän in fünf Abschnitte gliedert. Er setzt bei der Frage ein, »was ›beten‹ heißt«. Sofort geht er zur Beantwortung auf das Vaterunser über, ohne zunächst allgemein etwas zum Gebet zu sagen, wie man es bei der Überschrift möglicher¬weise erwartet hätte. Man kann dies als folgerichtig ansehen, da auch für Luther das Vaterunser Anleitung zum Beten war. Als »Grund-Satz« wird ein Abschnitt aus Luthers Großem Katechismus gewählt. Die nächsten beiden Abschnitte widmen sich dem »Gebet des Herrn – das heilige Vaterunser« sowie dem Thema »Wie wir beten sollen« und ziehen dazu ebenfalls Passagen aus dem Großen Katechismus heran. Der vierte Abschnitt geht unter Bezug auf die Solida Declaratio der Frage nach, »Worum wir Gott bitten« dürfen. Hier hätte man sich einen Hinweis auf Luther gewünscht, der das Alltägliche aus dem Gebet nicht ausgespart wissen wollte. Klän übersieht, dass Luther anhand des Katechismus – vor allem der zehn Gebote – dazu ermunterte, Gott zu loben, zu bitten und zu danken. Das Kapitel schließt mit einer Besinnung über »Warum wir ›Amen‹ sagen« im Anschluss an Luthers Großen Katechismus.
Nach einem kurzen Vorwort des Verf. (9−11) bietet das Buch zunächst ein Geleitwort Robert Kolbs, emeritierter Professor am Concordia Seminary, St Louis, Missouri (12−14). Der Entfaltung der »Grund-Sätze« ist ein grundlegendes Kapitel vorgeschaltet: »0. ›Wir glauben, lehren und bekennen‹« (15−20). Klän ruft darin in Erinnerung, dass das Bekenntnis »Auslegung der Heiligen Schrift« sein will, eine »seelsorgerliche Dimension« hat sowie der institutionellen Identitätssicherung dient Bekenntnisse müssen ausgelegt und belebt werden. Zugleich ist Christsein ohne das Bekenntnis des Glaubens kaum vorstellbar.
Schließlich bietet Klän als letztes Kapitel einen »kleinen geschichtlichen Überblick« (196−211). Darin skizziert er die historischen Hintergründe zur Entstehung der Katechismen Luthers, der Confessio Augustana und der Apologie, der Schmalkaldischen Artikel und des Tractatus de potestatae ac primatu Papae, der Konkordienformel und des Konkordienbuches.
Leider bleiben die Kriterien der Auswahl für Literaturhinweise unklar. Neben den angeführten systematisch-theologischen Werken, hätte es gerade beim Thema Bekenntnis auch einige gute historisch-theologische Werke gegeben. Das Buch von Christian Peters zur Apologie des Augsburger Bekenntnisses von 1997 oder einige Aufsätze von Martin Ohst zu Buße wären hier beispielsweise denkbar gewesen.
Robert Kolb meinte in seinem Geleitwort sicher zurecht: »Dieses Buch eröffnet das Gespräch zwischen uns und den lutherischen Bekennern des 16. Jahrhunderts. Gerade so eröffnet es uns ein Gespräch mit unserem Gott.« Das Buch kann ein meditativ-erbaulicher Begleiter durch die Bekenntnisschriften sein. Es kann zur Vorbereitung auf thematische Andachten ebenso eine Hilfestellung bieten wie als Grundlage einer Diskussion in einem Gemeindekreis. Man merkt, dass der Autor von diesen zentralen Texten aus dem Reformationsjahrhundert begeistert ist. Leider springt diese innere Wärme nicht durchgehend auf den Leser über, weil zu viel vorausgesetzt wird. Jedoch wird derjenige durch die Erkenntnis des theologischen Reichtums der Bekenntnisschriften belohnt, der die Mühe der Lektüre nicht scheut.
Stefan Michel