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Rezension

Jahrbuch für Freikirchenforschung (17) 2008

 

Christoph Raedel (Hg.) Methodismus und charismatische Bewegung. Historische, theologische und hymnologische Beiträge. Reutlinger Theologische Studien, Bd. 2, Edition Ruprecht, Göttingen 2007, 260 S.
Dieser vorgelegte Sammelband, der sich mit dem Phänomen des Charismatischen innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche beschäftigt, ist durch seine gelungene Anlage ein vielseitiger Beitrag zur Diskussion. Vier »Historische Beiträge« beschäftigen sich ausschließlich mit zeitgeschichtlichen Fragen. Zuerst legt der seinerzeit die aufsichtführende Bischof in der BRD, Walter Klaiber, dessen Prinzip der »Kirchenleitung durch Schriftauslegung« hier eine besondere Relevanz bekommt, seinen Weg mit der charismatischen Bewegung offen. Die weiteren drei zeitgeschichtlich »Historischen Beiträge« zeigen die verschiedenen Entwicklungen in der BRD (Reiner Dauner) und die unterschiedliche Einschätzung dieser Bewegung innerhalb der EmK in der früheren DDR (Dieter Weigel und Thomas Röder). Besonders zwei dieser Kapitel werfen die Frage auf, was die methodistischen Kirchen aus ihren früheren charismatischen Erfahrungen in die kirchenübergreifende Gesamtbewegung eingebracht oder wenigstens innerhalb der eigenen Gemeinden fruchtbar gemacht haben. Wahrscheinlich hat keine andere Kirche, schon gar nicht als gesamte Kirche, so reiche charismatische Erfahrungen (wenn sie seinerzeit auch nicht als solche bezeichnet wurden), wie die methodistische. Ich denke dabei nicht nur an die Rolle, die sog. Laien im geistlichen Vollzug des Gemeindelebens spielen konnten und bis in den Gottesdienst hinein über Predigten hinaus mit Zeugnissen, Beträgen der »Ermahner« nach den Predigten und Gebeten spielten, sondern vor allem an die damaligen »Klassen« mit ihrem ursprünglich reichen charismatischen Leben. Durch diese vielfachen Erfahrungen in den Gemeinden ist die methodistische Kirche von heute vermutlich die einzige, die auch Erfahrungen mit Nachwirkungen von charismatischem Gemeindeleben hat. Diese bis heute nachwirkenden Erfahrungen, die verwurzelt sind in dem Versuch, das geistliche (geistgewirkte, charismatische) Leben zu tradieren und dabei Verhärtung und Formalisierung als Vergesetzlichung in Kauf nahm, scheinen weder von der charismatischen Bewegung innerhalb der EmK aufgearbeitet, noch im Sinne prophetischer Vermittlung mit denen, durch die man nun selber neu angeregt wurde, geteilt worden zu sein. Dieses kann in der Selbstdarstellung der gegenwärtigen charismatischen Kreise innerhalb der EmK die Frage aufwerfen, in wieweit die Verantwortlichen ( und in der charismatischen Bewegung spielt die Frage der sog. »Leiterschaft« nicht nur seelsorgerisch und gottesdienstlich, sondern auch in theologischer und gesamtverantwortlicher Kybernetik eine enorme Rolle) nur ein geringes Maß an selbständiger theologischer und historischer Arbeit in die pastoral-theologische Verantwortung investiert haben. Freilich ist dieses auch eine Frage an die Gesamtkirche, inwieweit sie sich theologisch auf die aktuellen Fragestellungen eingelassen hat. Allgemein kann man aus historischer Perspektive sagen: Was die neuen charismatischen Bewegungen noch vor sich haben können, hat die methodistische Kirche als schmerzliche Erfahrung hinter sich, wenn sie nicht noch an ihren Nachwirkungen leidet.
Darum sind für die selbstkritische geistliche Auseinandersetzung mit den immer noch aktuellen Fragen zwei Beiträge des Bandes von großem Wert, weil hier sowohl theologische wie historisch unverzichtbare Nach-Denkanstöße bereitgestellt werden. Roland Gebauer zeigt fundamentale Grundlinien des neutestamentlichen Zeugnisses vom Heiligen Geist und den Geistesgaben unter dem Thema »Gottes wirksame Gegenwart« auf. Diese Linie wird mit viel Sachkenntnis und großer Offenheit von Christoph Raedel fortgeführt. Er arbeitet die frühmethodistischen Erfahrungen und theologischen Positionierungen heraus und verbindet sie mit der gegenwärtigen Fragestellung. Dabei ist er sich dessen gewiss, dass »die [heutige] charismatische Bewegung die methodistische Identität bereichern« kann (181,189). Raedel erarbeitet, wie »methodistische Identität und charismatische Bewegung … unterschiedliche, jedoch einander nicht ausschließende, sondern ergänzende Schwerpunkte« setzen (188). Damit hat er nicht nur den charismatischen methodistischen Gemeinden und Gruppen, die nicht einfach einer vielleicht sogar erfolgversprechenden Zeitwelle folgen wollen, sowie ihren in besonderer Verantwortung stehenden »Leitern« einen wichtigen Dienst getan, sondern der gesamten EmK in Deutschland und der Schweiz und, wenn die Verantwortlichen es denn über die EmK hinaus vermitteln, der charismatischen Bewegung in Deutschland insgesamt.
Hinter den theologischen Grundsatzbeiträgen stehen andere deutlich zurück. Trotzdem ist der Beitrag von James K. Steven hilfreich, weil er eine vage Verbindung zwischen dem Liedgut von Methodismus und charismatischer Bewegung konstatiert. Er geht dabei auch auf die Rolle des Singens in den Gottesdiensten und Gemeinden ein und wirft aus seiner Sicht auch die Frage auf, ob es genügt »dem Schöpfer und Erlöser der Welt Lob zu singen, ohne das Leben und die Erfahrung in der Welt anzusprechen« (84), um nur eine der Fragen aus seinen Schlussfolgerungen aufzugreifen. Joachim Georg hat in seinem hymnologischen Beitrag »Gottes Spuren festgestellt«. Nach meiner Meinung hätte es seinem Beitrag mehr Gewicht gegeben, wenn er die Spurensuche etwas weiter und offener angelegt hätte.
Zwei Berichte aus Gemeinden und ein Dokument der weltweiten Kirche zum Phänomen der charismatischen Bewegung schließen das Dokument ab.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die eigenständige Reflexion über dieses bedeutende Phänomen innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche eingesetzt hat. Allein die Beiträge von Roland Gebauer und Christoph Raedel machen den Band für die Fortführung der Diskussion innerhalb und außerhalb der EmK unverzichtbar. Wer sich mit der Entwicklung und weiteren Ausgestaltung der charismatischen Bewegung befasst, wird diesen Band nicht ohne Gewinn aus der Hand legen. Freilich darf er nicht den Eindruck vermitteln, als sei diese Bewegung mit der gesamten Kirche gleichzusetzen. Um das vielschichtige Bild der EmK nicht aus dem Blick zu verlieren, werden die Herausgeber dieser Reihe ihrer kirchlichen Mit-Leiterschaft gerecht, wenn sie auch andere Aspekte wie z. B. das sozialdiakonische Engagement, die ökumenische Verpflichtung, die für unsere Zeit dringende Frage nach der missionarischen Existenz wie nach dem missionarischen Gemeindeaufbau einplanen. 
Karl Heinz Voigt

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Methodismus und charismatische Bewegung

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Methodismus und charismatische Bewegung

Historische, theologische und hymnologische Beiträge
Klaiber, Walter/Raedel, Christoph/Schneeberger, Vilém/Gebauer, Roland/Dauner, Reiner/Drutkowski, Frank/Georg, Joachim/Röder, Thomas/Ufer, Frank/Ufer, Irmgard/Steven, James/Weigel, Dieter

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