Rezension
Sedina-Archiv. Familiengeschichtliche Mitteilungen Pommerns, 63. Jahrgang 2017, Heft 1
Die Aufarbeitung der Geschichte der altlutherischen Kirche stößt auf eine Reihe fast unüberwindlicher Schwierigkeiten, da sie von ihrer Entstehung um 1830 bis zur Vertreibung 1945 ihr Tätigkeitsfeld überwiegend in den preußischen Provinzen Pommern und Schlesien hatte und somit kaum Aktenbestände und andere Dokumente überliefert sind. Umso verdienstvoller ist der gelungene Versuch des emeritierten Professors an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel Volker Stolle sich der Schulgeschichte dieser Religionsgemeinschaft zu widmen. Dabei stellt er sich nicht nur der Aufgabe einer historischen Darstellung, sondern zeigt auch vielfältige Aspekte von Gründen für die Schaffung eines eigenständigen und weitgehend vom staatlichen Reglement unabhängigen Schulwesens auf. Diese spiegeln sich nicht nur in der engen Beziehung zum praktizierten lutherischen Bekenntnis wider. Vielmehr wird deutlich, wie schwer sich die preußische Monarchie entgegen der von Friedrich II. verkündeten Religionsfreiheit mit genau diesem Anspruch tat.
Der Verfasser beleuchtet verschiedenste Facetten des altlutherischen Schulwesens, wie deren Finanzierung, der Ausbildung von Präparanden und der Besetzung der Lehrerstellen. Die schon erwähnte Quellenlage erforderte zwar eine punktuelle, auf wenige Beispiele und Orte beschränkte Darstellung, gibt jedoch ausreichend präzise das Gesamtbild wider. Auch wenn es die Altlutheraner in der Hochzeit ihres Wirkens um 1860 nur zu 34 Schulen brachten, so waren es um 1910 immerhin noch zehn, die jedoch in der Zeit des Nationalsozialismus sämtlich geschlossen wurden.
Besonders wertvoll für den pommerschen Ortsgeschichts- und Familienforscher ist der Anhang mit ausgewählten Dokumenten zur Schulgeschichte und kurzen Biografien von Lehrern, soweit sich diese rekonstruieren ließen. Dem Verfasser ist sehr für diese anschauliche Darstellung einer speziellen Facette des preußischen Schulwesens zu danken und dem Buch ein breiter Leserkreis zu wünschen.
Hans-Dieter Wallschläger