Rezension
unterwegs Nr. 4/21. Februar 2016
Wesleys Schrift »The Character of a Methodist« von 1742: Hier konzentriert sich die Beschreibung der Vollkommenheit nicht auf das, das der unvollkommene Mensch überwinden soll, sondern auf das, was ihn kennzeichnet. Zentral dabei, so schreibt Klaiber, sei der Fokus auf die Liebe nach Römer 5,5: »… denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.« Wesley rede von der Sünde nur zweitrangig – als vergeben und überwunden. Sich darauf einzulassen und dieser rettenden Gnade zu vertrauen, sei der Anfang der Heiligung. Und diese Erfahrung ermögliche es, sich hingebungsvoll anderen zuzuwenden. Diese Hingabe – biblisch »Agape« – hat Wesley als Inbegriff der christlichen Vollkommenheit bezeichnet: Eine Ausrichtung der ganzen Existenz auf den anderen, die selbst die eigene Existenz loslassen kann. Diese Hingabe könne niemals ein Privatprojekt sein. Vielmehr sei »die hingegebene Existenz das vollkommene
Wesen der christliche Gemeinde«. Deshalb ist es für Klaiber unabdingbar, dass sich Methodisten neu auf die Lehre von der Vollkommenheit besinnen. »Rechnen wir damit, dass Gottes Geist ein viel größeres Rettungsprojekt am Laufen hat als das für unsere Seele oder unserer Kirchen und dass ihn letztlich nichts davon abhalten wird?«
Volker Kiemle (Ausschnitt)