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Rezension

Göttinger Tageblatt, 18. April 2015

Was sagt die Theologie zu einem sozialen Netzwerk wie Facebook? Wie wird auf Facebook über den eigenen Glauben gesprochen? Und wie können Kirchengemeinden Facebook für die eigene Arbeit nutzen? Fragen wie diesen ist Christina Ernst in einer an der Universität Göttingen angefertigten Dissertation nachgegangen, die als Buch im Verlag Edition Ruprecht erschienen ist.
Ein Ansatzpunkt für Ernsts Überlegungen ist ein Paradox: Auf Facebook zeigen viele Nutzer – dem Titel zum Trotz – ihr Gesicht gar nicht. Stattdessen sind ein großer Zeh oder ein geöffneter Kleiderschrank zu sehen. Obwohl das Netzwerk der Kontaktpflege und auch der Selbstinszenierung dienen soll, hätten sich Formen »sichtbarer Selbstverhüllung« ausgebildet, so Ernst.
Zum einen diene das dem Beziehungsmanagement: Ein schon bestehender Freundeskreis könne das Profil zuordnen, fremde Beobachter würden jedoch bewusst ausgeschlossen. Zum anderen werde dadurch jedoch – bewusst oder unbewusst – gezeigt, dass eine personale Identität weder feststehend noch überhaupt vollständig fassbar sei. Mehrdeutigkeit und Pluralität von Selbstbildern würden durch Facebook verstärkt und sichtbar gemacht. Dabei entstehe jedoch ein hoher Kreativitäts- und Kommunikationsdruck.
Davon könne die theologische Perspektive entlasten, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes sei. Damit sei dem Menschen ein Teil seiner Identität nicht verfügbar, denn sein Ursprung sei ihm nicht erkennbar – und das sei zugleich ein Bestandteil seiner Identität.
Das Konzept der Geschöpflichkeit wirke damit als lebensumfassende Klammer. Zugleich entlaste es den Menschen von überzogenen Ansprüchen an Lebensvollzüge und Selbstdarstellungen während seines endlichen Lebens. Fragementarität und Unabschließbarkeit menschlichen Lebens könnten jedoch nicht nur als Begrenztheit erfahren werden, sondern auch als Ausgangsbedingungen für eine bewusste und immer wieder neue kreative Selbstgestaltung – auch in sozialen Netzwerken.
Ernst befasst sich auch mit der Frage, welche Möglichkeiten Social Media wie Facebook für die Verkündigung des christlichen Glaubens bieten. So könne es eine interaktive Gestaltung von Liturgie und Predigt geben. Die Autorin erwähnt mögliche neue Formate wie Facebook-Gottesdienste, Twitter-Andachten oder das Experiment, online Abendmahl zu feiern.
Darüber hinaus komme es auf Facebook bisweilen zu Diskussionen, wenn ein Nutzer durch sein Profil erkennen lasse, dass er der Kirche nahestehe. Dadurch träten das persönliche Bekenntnis sowie die kreative Aufnahme und Umformung traditioneller Bekenntnisformen hervor. Außerdem rückten die sozialen Beziehungen ins Blickfeld, die religiöse Kommunikation tragen. Neben der Familie könnten das auch soziale Netzwerke sein.
Jörn Barke

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Mein Gesicht zeig ich nicht auf Facebook

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Mein Gesicht zeig ich nicht auf Facebook

Social Media als Herausforderung theologischer Anthropologie
Ernst, Christina

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