Rezension
Lutherische Beiträge, 19. Jahrgang (2014) Heft 2
Schon längst hätte dieses Teilstück des Agendenwerkes der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche rezensiert werden sollen. Wenn jedoch nach einem mehrjährigen inhaltlich teils kontrovers geführten Entstehungsprozess ein von Pfarrkonventen und Synoden mehrheitlich beschlossenes Produkt vorliegt, das immer wieder neu auch schmerzliche Erinnerungen aufreißt und dazu noch alle infrage kommenden Rezensenten irgendwie daran beteiligt gewesen sind, so können Verzögerungen nicht ausbleiben und werden entschuldbar sein.
Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass Herausgeber und Verlag zweifellos ein äußerst schönes und bei einer Taufhandlung gut zu handhabendes Buch herausgegeben haben, das in Farbe und Design mit der bereits 1997 herausgegebenen Agende I der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche identisch ist. Es liegt gewiss nicht daran, wenn Pfarrer der SELK noch immer ihre »alten« Agenden bei der Taufe gebrauchen oder gar eigene »Ringbuchformulare« verwenden. Die Akzeptanz oder die Kritik sind inhaltlicher Natur. Es können hier nur einige Kritikpunkte berührt werden:
• Kirchenrechtlich zwar richtig — weil leider vom Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK mehrheitlich angenommen — aber in einem Agendenwerk zumindest unüblich, nimmt 15% des Buches der siebenmalige Ausdruck des Apostolischen Glaubensbekenntnisses in der lutherischen und »ökumenischen« Fassung ein, versehen noch mit jeweils 11 also insgesamt 77 Fußnoten, die elfmal gleichlautend darüber Auskunft geben, was Luther übersetzt hat oder was damit gemeint sei. Das spiegelt eindeutig die gespaltene Haltung der Pfarrerschaft zu einem Bekenntnis wider, das nicht nur sprachliche, sondern vor allem auch theologische Implikationen beinhaltet. Ob ein Kind später einmal feststellen können wird, auf welches Bekenntnis es damals getauft worden ist? Die alte, für Pfarrer verbindliche Bekenntnisfassung hätte genügt.
• Als nächstes sei die Anfrage gestattet, ob die jeweils für diese Taufagende Verantwortlichen realisiert haben, dass Luthers Taufbüchlein nicht nur eingesehen werden kann, sondern für Pfarrer verbindlicher Bestandteil des Lutherischen Bekenntnisses ist, auf das sie verpflichtet worden sind? Bei leichter sprachlicher Anpassung wäre dann z. B. der Exorzismus (S.16, 38, 78) nicht nur als »fakultativ« herabgestuft worden. Er wäre auch nicht so verkrüppelt angeboten worden, sodass der Täufling bzw. die anwesende Taufgemeinde verstehen kann oder gar muss, dass der Täufling statt des Teufels im Namen Christi zu weichen habe.
• Es bleibt mir unverständlich, weshalb beim »Sintflutgebet« (S.22) ganze Passagen gestrichen und damit dieses Gebet sträflich verflacht und verfälscht wurde. Die rein sprachlichen Probleme wären doch leicht zu lösen gewesen. Dabei fällt auch auf, dass z. T. nur »positive« Aussagen, statt »Gesetz« nur »Evangelium« wiedergegeben wurde. Besonders der Hinweis auf die Erbsünde wurde getilgt. Jetzt heißt es: »Lasse durch das Wasser der Taufe alles untergehen, was es (das Kind, JJ) von dir trennt«. Wird die Erbsündenlehre im Zusammenhang mit der Taufe etwa jetzt auch in der SELK in Zweifel gezogen, zumal die gleiche Formulierung noch einmal in der 3.Vermahnung (S.111) wiederkehrt?
Je weiter ich mich mit den Formulierungen der Taufagende beschäftige, desto mehr steigen Sorgen und Befürchtungen: Sind hier nicht wunderbare Chancen vertan worden? Werden solche Kriterien etwa auch bei der Erarbeitung der noch folgenden Teile der Agende Anwendung finden? Müssen wir für die Zukunft mit erheblichen Mängeln und Defiziten in Theologie und Ekklesiologie rechnen und auf der Hut sein, bevor solche gesamtkirchlich verbindlichen Werke die Prozeduren für ihre Gültigkeit durchlaufen haben? Wird nicht dadurch wiederum die »Steinbruchmentalität« gefördert, mit der man zwar einige agendarische Stücke herausnimmt, ansonsten aber seine eigenen persönlichen oder spontanen liturgischen Ordnungen bastelt, wie das weithin üblich geworden ist? Wollte man nicht gerade das Gegenteil erreichen? Sollte man nicht auch wirklich diejenigen ernster nehmen, die — obschon in der Minderheit — gewarnt haben, als es noch Zeit war? Hat der Trend, der Zeitgeist etwa nun auch unsere Liturgiker in der Zange? Das wäre schade um Jesu und seiner Kirche willen.
Johannes Junker