Rezension
Geburtshilfe und Frauenheilkunde 08/2014
Grundlage des vorliegenden Buches ist die Dissertation an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Göttingen zum Thema »Das Ethos der Bundesärztekammer«. Wie der Verfasser im Vorwort betont, werden besonders die ethischen Konflikte an den Grenzen des Lebens, das heißt am Lebensanfang bzw. -ende anhand von Quellenmaterial der Bundesärztekammer abgehandelt, wobei zunächst die Voraussetzungen institutioneller ärztlicher Medizinethik unter dem Aspekt von Geschichte und Struktur der Bundesärztekammer dargestellt werden. Nicht ausgespart bleibt der Exkurs zur Zeit des Nationalsozialismus mit Eugenik und Euthanasie bzw. der Beitrag zur Ärzteschaft in SBZ und DDR von 1945 bis 1989.
Im folgenden Kapitel wird das Ethos der Bundesärztekammer als repräsentatives ärztliches Ethos erläutert u. a. zum Beispiel die Klärung und der Zusammenhang ärztlicher Begriffe von Ethos, Ethik und Menschenbild. Die hierauf beruhenden Verlautbarungen führen so gewichtige Themen wie Lebensanfang, Reproduktionsmedizin, In-vitro-Fertilisation, Präimplantationsdiagnostik, Pränataldiagnostik, Schwangerschaftsabbruch sowie Patientenverfügung bis hin zur Sterbehilfe aktiv oder als ärztliche Beihilfe zum Suizid an, wobei sowohl ärztliche als auch rechtliche und ethische Perspektiven, auch unter Berücksichtigung kirchlicher Verlautbarungen und Positionen, abgehandelt werden.
Diese außerordentlich hilfreiche Analyse macht deutlich, dass eine große Übereinstimmung, zum Beispiel von kirchlichen Verlautbarungen und Positionen der Bundesärztekammer besteht, wobei die Sensibilität für das Individuelle hervorzuheben ist. Das Buch zeigt anhand einer detaillierten Analyse eindrucksvoll deutlich, welche historischen Hintergründe bzw. welche Tendenzen sich für das ärztliche Ethos im Rahmen der Verlautbarungen der Bundesärztekammer abzeichnen. Es findet sich aber auch der Hinweis des Autors an die Bundesärztekammer, differente Positionen in der Ärzteschaft darzulegen, um innerhalb der Ärzteschaft eine fruchtbare, wenn auch gelegentlich kontroverse Diskussion zu ermöglichen. Ein außerordentlich lesenswertes Buch.
Jörg Baltzer