Rezension
Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 04/2014
Von einer großen ökumenischen Sendung war der Pastor Philip Potter durchdrungen. Er konnte prophetisch mitreißen. Als Enkel eines Katholiken und Sohn einer Methodistin wurde er am 19. August 1921 in Roseau auf der Karibikinsel Domenica geboren. Nach seinem Studium in Kingston und London war P. in der christlichen Studentenbewegung SCM aktiv. Zur ersten Vollversammlung (VV) des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1948 in Amsterdam kam er als Sprecher der Jugenddelegation. Zu neun VV des ÖRK seit seiner Gründung kamen Tausende, aber nur einer war bei allen dabei: P. Als Methodist war er von 1972 bis 1984 der dritte Generalsekretär des ÖRK in Genf und einer der führenden Kirchenmänner der weltweiten Kirche. Wer ihn als Prediger, ökumenischen Theologen und Persönlichkeit erlebte, kann ihn nicht mehr vergessen. Auch über die Grenzen der politischen Ost-West-Blöcke und der in den 1970er Jahren erstarkenden Nord-Süd-Konflikte konnte er sich mit lauter Stimme Gehör verschaffen. Anlässlich seines 90. Geburtstages wurde eine Auswahl seiner Vorträge, Reden und Texte gesammelt und in angezeigter Publikation abgedruckt, um weitgehend noch unveröffentlichte und breit gestreute, jedoch zentrale Texte ökumenisch Interessierten zugänglich zu machen. Hilfreiche Verzeichnisse wie Abkürzungen, Liste der Erstveröffentlichungen, Bildquellenverzeichnis, Register, Lebensdaten von Philip A. Potter usw. komplettieren den Band (355–380). — Der frühe Beitrag, »Die Botschaft der Jugend«, vorgetragen auf der I. VV des ÖRK in Amsterdam 1948, brachte bereits die ökumenische Vision zur Sprache, die ihn über Jahrzehnte beflügelte. Die überwiegende Zahl der weiteren 26 Texte entstand während seiner zwölfjährigen Amtszeit als Generalsekretär des ÖRK. Sie atmen den pulsierenden Geist von Mission und Ökumene, dem sich P. mit ganzer Leidenschaft stellte. Der jüngste Text, »Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt«, gibt die Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Wien 2001 wieder. Die Beiträge von 1948 bis hin zu den Anfängen des 21. Jahrhunderts bringen Bereiche zur Sprache, die P. prophetisch begleitete: »Mission und gemeinsames Zeugnis« (Kap. 2 [= K. 21), »Prophetische Theologie« (K. 3), »Herausforderungen an die Kirchen« (K. 4) und »die ökumenische Vision« (K. 5). Ein einfühlsames und kenntnisreiches »Porträt« schrieb Paul Löffler wenige Wochen vor dem eigenen Tod im August 2010: »Philip Potter, der richtige Mann zu rechten Zeit — ein Porträt« (19–31). Dass P. nahezu sein ganzes Leben in den Dienst der Ökumene stellte, geben seine Texte unmissverständlich zu verstehen. Weggefährtinnen und Weggefährten schreiben sechs »Worte des Dankes an Philip« nieder, die bewegend eine tiefe Verbundenheit zum Jubilar bezeugen (K 6): Rosemarie Wenner: »Philip Potter — ein Methodist aus der Karibik dient der Welt«, Johannes Hempel: »Später Dank an Philip Potter«, Bärbel Wartenberg-Potter: »God needs all kind of people«, Margot Käßmann: »What do you want to say? «, Baldwin Sjollema: »Compagnons de Route« und Pauline Webb: »Philip Potters Jahre in England«.
Im Vorwort würdigt Konrad Raiser feinfühlig seinen Vorgänger P. als ÖRK-Generalsekretär, verschweigt jedoch nicht, dass P.s Zeit »von mancherlei Konflikten mit den offiziellen Repräsentanten der deutschen Mitgliedskirchen und von zum Teil verletzenden Angriffen auf seine Person belastet« war (11). Schon 1975 auf der ÖRK-VV in Nairobi hob P hervor: »Trotz aller Tiefpunkte, die wir erlebt haben, erinnert mich eine VV wie diese an die Geschichte von der Verklärung. « P. ließ sich nicht unterkriegen, seine Rede war überschrieben: »Vor uns liegt die Wüste« (297–308). Je länger desto mehr wurde er — auch in schweren Zeiten — zum Visionär der weltweiten Ökumene. Die Publikation gibt wertvolle Einblick in die Geschichte der Ökumene. Für ökumenisch Interessierte und die ökumenischen Theologie insgesamt ist sie unverzichtbar.
Matthias Meyer