Rezension
selk_news 27.09.2013
Die seit dem 8. November 2011 einsehbare Onlineausstellung zum evangelischen Widerstand im Nationalsozialismus (www.evangelischer-widerstand.de) ist um die Person von Pfarrer Friedrich Wilhelm Hopf, D.D. (1910-1982), erweitert worden. Seine Predigt über Psalm 119, Vers 96, die er am Sonntag Rogate, 6. Mai 1945, in der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche in Mühlhausen gehalten hat, gilt als beeindruckendes zeitgeschichtliches Dokument. In dieser Predigt macht Hopf die Schuld und das Versagen der Mühlhäuser Bürgerinnen und Bürger jener Zeit wie auch des gesamten deutschen Volkes in klaren und unmissverständlichen Worten deutlich. Auf der einen Seite prangert er die »Menschenvergötterung und Erfolgsanbetung wie nie zuvor in der Geschichte unseres Volkes« an. Denn die »heiligen 10 Gebote galten nicht mehr als der unverbrüchliche Maßstab des Urteils über Recht und Unrecht, Gut und Böse, Wahrheit und Lüge.« Hopf erkennt »auf der einen Seite die frevelhafte Selbstüberhebung derer, die sich hinwegsetzten über alle Ordnungen Gottes, weil ihre Macht sich gründete auf Lüge, Ungerechtigkeit, Mord.« Andererseits »hatten wir die große Masse unseres Volkes, die sich verführen, betören und verblenden ließ, - teils im falschen Vertrauen auf Menschenworte, irdischen Machtmitteln und scheinbarer Erfolge, teils aus Furcht und unter dem Zwang.« Wenige Tage vor Kriegsende kann er daher feststellen: »Zerbrochen und jämmerlich zu Schanden geworden ist alles, was man uns jahrelang hoch gepriesen hat, als sei es unvergänglich und heilbringend. Zerbrochen und zu Schanden geworden ist all das, wofür so viele Menschen haben leiden und sterben müssen, die Macht durch welche unsägliches Herzeleid gebracht worden ist zuerst über viele andere Völker und nun über unser eigenes Volk. Zerstörte Städte, Berge von Leichen, Millionen von Gefangenen, Enthüllungen über Verbrechen und Gräueltaten von ungeahnter Grausamkeit, Wahnsinn, Verzweiflung, Selbstmord.«
Hopf delegiert nicht Verantwortung, sondern bekennt: »Wir werfen jetzt nicht Steine auf andere, sondern schlagen an die eigene Brust und rufen: o unsere Schuld, o unsere Schuld, unsere übergroße Schuld! Denn wir haben oft geschwiegen, wo wir als Kirche Jesu Christi in Deutschland hätten laut reden und deutlich Zeugnis geben müssen: Es ist nicht recht! Wir hätten reden müssen zur Judenfrage. Wir hätten reden müssen zum Mord an den Blöden (gemeint sind die geistig Behinderten. Eine damals gebräuchliche Bezeichnung.) in den Heil- und Pflegeanstalten. Wir hätten reden müssen zu dem großen Unrecht an den Völkern und zu der unheimlich anwachsenden Menschenvergötterung.«
Hopf, der bis 1949 Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern war, wechselte in die (alte) Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, eine der Vorgängerkirchen der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Er war bis zu seiner Emeritierung Missionsdirektor der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission e.V.) der SELK. Texte von Friedrich Wilhelm Hopf sind von Pfarrer Markus Büttner und Prof. Dr. Werner Klän neu im Partnerverlag der SELK, Edition Ruprecht, herausgegeben worden: Friedrich Wilhelm Hopf. Kritische Standpunkte für die Gegenwart. Ein lutherischer Theologe im Kirchenkampf des Dritten Reichs, über seinen Bekenntniskampf nach 1945 und zum Streit um seine Haltung zur Apartheid. (http://www.edition-ruprecht.de/katalog/autoren.php?id=501)
Mit seiner Rogate-Predigt hat Hopf seinen Platz in der Online-Ausstellung in der Rubrik »Bayern – Kritische Einzelstimmen nach 1945« gefunden. Die Online-Ausstellung »Widerstand!? Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus« ist während der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 8. November 2011 freigeschaltet worden. Ziel der Ausstellung ist es, online die Geschichte des Widerstandes evangelischer Christinnen und Christen auf der Grundlage aktuellen Forschungsstandes multimedial der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Zahlreiche Dokumente in Form von Texten, Fotos, Audios und Videos stehen zur Verfügung. Verantwortlich für die Ausstellung ist die Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München.