Rezension
Ethica 21 (2013) Heft 3
Das Web 2.0, die neueste und aktuellste Stufe des Ausbaus des Internets, ist für jene Menschen schwer zu beschreiben, die es noch nicht erlebt haben. Eine Auflistung technischer Daten oder ein Handbuch für User von Facebook oder Twitter reicht dazu jedenfalls nicht. Auch mit einigen Metaphern, die Vergleiche zum Web 1.x oder dem Leben ohne Internet herstellen, ist es nicht getan. Web 2.0 ist eine neue Qualität von integriertem Leben mit und im Internet, die sich mit Buch-Texten kaum erschließen lässt. Die beiden Herausgeberinnen versuchen es deshalb einleitend (S. 7) auf andere Weise, mit einem Zitat aus einem Beitrag in der Zeitschrift DER SPIEGEL, in dem berichtet wurde, wie die Geburt des kleinen Louis in der realen Welt von seinen Eltern noch am gleichen Tag mit seinem Erscheinen auf Facebook verbunden wird: Louis soll von Anfang an dabei sein und erhält deshalb ein Profil in Facebook, das von seinen Eltern gepflegt wird, bis er es selbst nutzen kann.
Nun will das Buch nicht nur ein weiterer Versuch der Veranschaulichung des neuen Web 2.0 und seiner NutzerInnen sein, sondern sich auf die Suche nach einer dazu passenden (evangelischen) Theologie 2.0 begeben. Was soll das sein? Eine »Theologie der Social Media ist wesentlich theologische Anthropologie und theologische Medienethik. Als theologische Anthropologie fragt sie nach Selbstverständnis und Lebensweisen des Menschen, der in durch Social Media geprägten Umwelten steht. Sie unternimmt eine Deutung solcher Selbstbilder vor dem Hintergrund klassischer theologischer Menschenbilder und ist zugleich um Reformulierung und um die theologische Fundierung oder Erweiterung menschlicher Selbst- und Weltdeutung bemüht. Als theologische Medienethik fragt sie danach, welche neuen Werte und Transformationen von Wertvorstellungen mit den Social Media einhergehen und welche Vorstellungen eines guten und gelingenden Lebens mit ihnen verbunden sind« (S. 12f.).
Im Buch wird nicht diskutiert, welche Priorität eine solche Theologie der Social Media für die (evangelische) Kirche haben soll. Die Beiträge im Buch zeigen jedoch deutlich, dass es noch ein weiter Weg zur Theologie 2.0 ist. Was findet sich im Buch? »Gerahmt wird die Reihe der Beiträge durch Alexander Filipovi? Überlegungen zum Verhältnis von (Internet-)Ethik und Anthropologie sowie durch Thomas Zeilingers Ausblick auf eine ›Ethik der Verbundenheit‹, in der kommunikationstheoretische, ethische und anthropologische Überlegungen zum Personsein im Social Web zusammengeführt werden. Die innerhalb dieses Rahmens stehenden acht Beiträge schreiten einen Denkweg ab, der bei Phänomenen personaler Kommunikation in Sozialen Netzwerken, besonders Facebook, beginnt. Christina Ernst, Konstanze Marx, Christoph Gieseler und Anne-Kathrin Lück beschäftigen sich aus der Perspektive der theologischen Ethik, der Sprachwissenschaft und der Rechtswissenschaft mir Fragen der Selbstdarstellung von Personen, der Kontaktaufnahme mit anderen Personen und des Schutzes persönlicher Daten« (S. 14).
Das Wichtigste in diesen Beiträgen ist wohl die klare Aussage, dass der Rechtsstaat seine Bürger nicht vor Dummheit schützt: Wer seine Daten ins Internet stellt, muss damit rechnen, dass irgendjemand das liest und in seinem Sinne nutzt, etwa für ein Persönlichkeitsprofil für Werbezwecke oder zur Beratung von Firmen, die Personal einstellen.
»Der Blick wird anschließend von Facebook als Paradebeispiel des Sozialen Netzwerkes ausgeweitet auf prinzipielle Fragen des Personseins im Social Web, einmal aus kommunikationswissenschaftlicher (Vera Dreyer), einmal aus theologischer Perspektive (Christina Constanza). Schließlich wenden sich zwei Beiträge der Kommunikation des Evangeliums im Social Web zu (Karsten Kopjar, Andrea Mayer-Edoloeyi)« (S. 15).
Wer sich aktuell auf die Suche nach einer Theologie 2.0 für das Web 2.0 machen will, wird sich mit dem aktuellen Stand beschäftigen müssen, wie er in diesem Sammelband dokumentiert ist. Wer wissen möchte, was bei der Suche herauskommt, wird wohl noch etwas warten müsse.
Jürgen Maaß