Rezension
Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 04/2013
Der von dem methodistischen Theologen und Professor an der CVJM-Hochschule in Kassel Christoph Raedel edierte Sammelband fokussiert das Verhältnis von Methodismus in Deutschland und den Strömungen, die aus dem charismatischen Aufbruch der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgingen. Der Sammelband vermittelt in einem frischen und teilweise persönlich geprägten Stil Einblicke in das keineswegs unproblematische Verhältnis von Methodismus und charismatischer Bewegung in Deutschland, wobei das Ringen um einen Konsens, das In-Frage-Stellen der eigenen Position und damit auch die Offenheit gegenüber charismatischen Ansätzen seitens methodistischer Positionen den Hintergrund der Darstellungen ausmacht.
Systematisch zusammengefasst sind die Einzelaufsätze im Hinblick auf historische Entwicklungen, hymnologische Ausprägungen, theologische Überlegungen und praktische Erfahrungen. Der historische Einstieg beginnt mit dem Beitrag Walter Klaibers, ehemals Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, »Mein Weg mit der charismatischen Bewegung« (14–29). Bei den Aufsätzen »Der Weg des ›Arbeitskreises Geistliche Gemeindeerneuerung in der Evangelisch-methodistischen Kirche‹. Persönliche Erfahrungen und Eindrücke« (30–37) des langjährigen Leiters dieses Arbeitskreises Reiner Dauner und »Zur Geschichte der charismatischen Bewegung in der Evangelisch-methodistischen Kirche (Schwerpunkt: Ostdeutsche Jährliche Konferenz)« (38–52) von Dieter Weigel, Pastor der EmK in der DDR und schon Ende der 1960er Jahre Mitglied des charisma¬tisch geprägten »Bruderkreises« in Großdeuben bei Leipzig, liegen die Schwerpunkte jeweils auf den Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland bzw. den Problemen der charismatischen Gemeindeerneuerung in den 1970er und 1980er Jahren in der ostdeutschen EmK. Den Themenkomplex der historischen Aufsätze rundet Thomas Röders Bericht »Erfahrungen mit der charismatischen Bewegung in der Evangelisch-methodistischen Kirche in der DDR« (53–61) ab, in dem der evangelisch-methodistische Pastor in Sachsen und Mitarbeiter der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz die Auseinandersetzungen mit der charismatischen Gemeindeerneuerungsbewegung aus kirchlicher Sicht kritisch reflektiert.
Die Aufsätze »Das charismatische Liedgut im Lichte des frühen methodistischen Liedguts« (64–84) von James H. S. Steven, Tutor am Trinity College in Bristol, und »›Wir loben unsern Gott von ganzem Herzen‹ – Anbetung in der Evangelisch-methodistischen Kirche« (85–108) von Joachim Georg, Liedermacher und Pastor der EmK in Deutschland sowie ehemaliger Dozent am Theologischen Seminar der EmK in Reutlingen, bilden die hymnologischen Beiträge des Sammelbandes.
Den Komplex der theologischen Beiträge leitet die Untersuchung des Professors für Neues Testament am Theologischen Seminar der EmK in Reutlingen Roland Gebauers »Gottes wirksame Gegenwart. Grundlinien des neutestamentlichen Zeugnisses vom Heiligen Geist und den Geistesgaben« (110–134) ein. Auf diesen Aufsatz folgt der Beitrag »Ein Herr – ein Geist – ein Glaube. Die pneumatologische Programmatik wesleyanischer Theologie« (135–162) des 2006 verstorbenen langjährigen Superintendenten der methodistischen Kirche in der Tschechoslowakei Vilem Schneeberger. Christoph Raedels Studie »Gotteserfahrung im Widerstreit? Zwischen methodistischer Identität und charismatischer Erneuerung« (163–192) beschließt den Komplex der theologischen Beiträge mit Überlegungen zu Wesen und Interpretation der Gotteserfahrung im Methodismus.
In den beiden folgenden Praxisberichten werden von dem evangelisch-methodistischen Pastor Frank Drutkowski in dem Beitrag »Charismatischer Gemeindeaufbau in der Evangelisch-methodistischen Kirche. Ein Praxisbericht aus der Gemeinde der Kreuzkirche in Berlin-Lankwitz« (194-217) und von Frank und Irmgard Ufer, Vorstandsmitglieder des Suchthilfevereins »come back«, mit dem Aufsatz »Sozialdiakonische Arbeit im Kontext geistlicher Gemeindeerneuerung. Geschichte und Auftrag der Suchthilfe ›come back‹ in Zittau« (218–227) Einblicke in kirchliche bzw. sozialdiakonische Projekte geboten, bei denen charismatische Aufbrüche die theologische und strukturelle Ausrichtung beeinflussten.
Der Sammelband schließt mit dem Dokument »Leitlinien: Die evangelisch-methodistische Kirche und die charismatische Bewegung«, das 1976 von der Generalkonferenz der United Methodist Church unter dem Titel »Guidelines. The United Methodist Church and the Charismatic Movement«, verabschiedet wurde und eine Hilfestellung für die Begegnung von methodistischer Kirche und charismatischer Bewegung bieten soll.
Gisa Bauer