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Rezension

Interkulturelle Theologie, 38. Jahrgang, 3/2012

Anlässlich des 90. Geburtstages von Philip A. Potter wird eine Auswahl seiner Vorträge, Reden und Texte, die größtenteils noch unveröffentlicht und weit verstreut sind, hier in einer thematischen Auswahl gesammelt und systematisch geordnet. Die hiermit vorgelegten Beiträge und Vorträge Potters gehen zurück bis 1948. Dabei handelt es sich um Texte, die während seiner zwölfjährigen Amtszeit als dritter Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen von 1972 bis 1984 entstanden sind. Der rote Faden, der sich durch die Artikel zieht, endet in der Rede, die er anlässlich der Verleihung einer Ehrendoktorwürde (von insgesamt zehn) im Jahr 2001 vortrug. Die 27 Potterschen »Texte und Reden eines Gestalters der ökumenischen Vision« werden durch ein Lebensportrait (Kap. 1) sowie sechs »Worte des Dankes« von Weg- und Zeitgenossen aus der Ökumene (Kap. 6) ergänzt.
Die Beiträge dieses prophetischen Protagonisten der Ökumene sind dabei vier Themenfeldern zugeordnet: »Mission und gemeinsames Zeugnis« (2), »Prophetische Theologie« (3), »Herausforderungen an die Kirche« (4) und »Die ökumenische Vision« (5).
Der Band steht unter der Maßgabe, Potters Leben und Wirken im Spannungsfeld seines Einsatzes für die Einheit der Kirchen und für Gerechtigkeit und Frieden konturiert hervortreten zu lassen. Pastor Dr. Philip Potter ist am 19.8.1921 in Roseau/Dominica geboren. Konfessionell betrachtet war er Methodist. Um sein Lebenswerk in wenigen Worten zu charakterisieren: Er setzte sich über Jahrzehnte dafür ein, die ganze oikumene Gottes gleichermaßen als unser und Gottes Haus für alle Menschen zu begreifen, zu leben und einen »universalen Dialog der Kulturen« zu schaffen. Bezeichnend für die sorgfältige und werkgetreue Auswahl ist, dass die Herausgeber für die Veröffentlichung als Titel das Wort »... damit Du das Leben wählst« aussuchten. Es wurde dezidiert von Potter im Jahre 1982 in seinem »Plädoyer gegen atomares und konventionelles Wettrüsten« gebraucht. Dort zitiert er die Textpassage aus Deuteronomiung 30, 15 und 19. Er überschreibt den Text mit dem Appell: »Wählt das Leben«.
»The holy spirit is an unruly person« ist ein weiteres theologisch-biographisches Motto Potters. Es steht dafür, dass für ihn »denkender Glaube« nur in seiner genuinen Einheit von Reflexion und Erfahrung durch ein Sprachspiel — in diesem Fall von der Symbolwelt der Bibel her inspiriert — möglichst auch humorvoll benennbar ist. Bevor er Generalsekretär des ÖRK wurde, wirkte er als Pfarrer der methodistischen Kirche auf Haiti (1950-54), als Sekretär des Jugendreferates des ÖRK, als Präsident des Christlichen Studentenweltbundes und leitete von 1967-72 die Abteilung für Weltmission und Evangelisation im ÖRK. Nach dem Ende seiner zweiten Amtsperiode als Generalsekretär des ÖRK wurde er auf eine Professur an die Universität von Kingston/Jamaika berufen.
Nahezu sein ganzes Leben hat Philip A. Potter in den Dienst der Ökumene gestellt. Er ist ihr als Gestalter treu geblieben und verstand sie stets als Projekt, bei dem es gilt, auftretende Spannungen und Konflikte offen zu benennen und sich einzulassen auf die diskursiven Dynamiken des Aushandelns unterschiedlicher Interessen und widerstreitender Optionen. Obwohl sein Lebensentwurf geradezu als paradigmatisch für die Ökumene an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert gelten darf, hat er nie die Allüren eines »Charismatikers« entwickelt, der verlangt hätte, dass andere ihn hofieren und in einem Personenkult hörig werden. Durch ihn bekam die Ökumene, speziell der ÖRK, ein ebenso weiches wie herzliches, ein ebenso zähes wie »farbiges« Profil. Die Auswahl der hier vorgelegten Texte spiegelt sehr gut wider, wie er sich mit seinem spezifischen Charisma mehr als dienender Moderator denn als herrschender Funktionär der Ökumene verstand. Dies hat ihm immer Respekt eingebracht, den er, selbstredend, nicht als Besitz reklamierte, sondern ihn sofort wieder investierte, wenn es darum ging, Risiken in Sachen Ökumene einzugehen und politisch brisante Themen zu bearbeiten. Eine prophetische Stimme wie die seine fehlt seitens des Protestantismus in den gegenwärtigen Debatten unserer globalisierten Welt mit ihrer Wüste (297ff.: »Vor uns liegt die Wüste«) des weltweiten kapitalistischen Marktes,  der sich zu einer strategisch entwickelten Diktatur auszuwachsen droht.
Der erfreulich preisgünstige Band, der durch hilfreiche Anhänge komplettiert wird, ist in seiner Vielfalt der Beiträge zu so etwas wie einem kleinen Handbuch oder einem »Atlas der neueren ökumenischen Bewegung« geworden: Er lädt uns nicht nur ein, die dort verzeichneten Oasen der Ökumene zu finden. Vielmehr ermutigt er dazu, sich selbst dorthin aufzumachen, um aus den historischen und biographischen Quellen zu schöpfen und sich — von den jeweils anderen Ökumenikern und Ökumenikerinnen bereichert — gemeinsam für eine bessere Welt einzusetzen.
Moritz Fischer

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: »… damit Du das Leben wählst«

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»… damit Du das Leben wählst«

Texte und Reden eines Gestalters der ökumenischen Vision
Potter, Philip Alford/Fröchtling, Andrea/Hinz, Rudolf/Löffler, Paul/Wartenberg-Potter, Bärbel/Wietzke, Joachim/Hempel, Johannes/Käßmann, Margot/Sjollema, Baldwin/Webb, Pauline/Wenner, Rosemarie

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