Rezension
Theologie für die Praxis 35 (2009) Heft 2
Anlässlich des 100. Geburtstages des Sozialen Bekenntnisses der Bischöflichen Methodistenkirche haben Ulrich Jahreiß, Pastor und Superintendent im Ruhestand, und Lothar Elsner, Leiter des Bildungswerkes der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), einen Band mit Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren herausgegeben. Das kompakte Büchlein, das mit einem Geleitwort von Bischöfin Rosemarie Wenner versehen ist, gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil bietet zwei Aufsätze, die den theologischen Hintergrund (Manfred Marquardt) und die geschichtliche Genese (Ulrike Schuler) des Sozialen Bekenntnisses beleuchten, was im Untertitel mit der Rubrik »Geschichte« nur unzureichend wiedergegeben wird. Im zweiten Teil »aktuelle Bedeutung« folgen zuerst zwei kurze Beiträge aus der Praxis, in denen Christine Guse aus ihrem Kontext in Thüringen über die Verbindung zwischen persönlicher Frömmigkeit und sozialem Engagement reflektiert und Martin Roth aus Schweizer Perspektive die Schwierigkeiten bei der lokalen Adaption der weltweit gültigen Sozialen Grundsätze thematisiert. Etwas unvermittelt kommt als dritter Beitrag ein historisches Dokument: die Stellungnahme der EmK in der DDR aus dem Jahre 1975 zu den Sozialen Grundsätzen. Hier kommen interessante historische Reminiszenzen an die polarisierende Zeit des Kalten Krieges zum Ausdruck, die sich meines Erachtens jedoch besser an den geschichtlichen Teil von Ulrike Schuler angegliedert hätten, nicht zuletzt, weil Schuler selbst auf dieses Papier Bezug nimmt. Der dritte und längste Teil »Impulse für die Gemeinde« besteht aus dem Arbeitsmaterial von Ulrich Jahreiß zum Thema der Zusammengehörigkeit von Evangelisation und sozialem Engagement, einem Vorschlag für einen Gottesdienst zum Sozialen Bekenntnis von Hartmut Handt, didaktischen Anregungen für einen Gemeindeabend zum selben Thema von Lothar Elsner und (in einem Anhang) einer Reihe von Versionen des Sozialen Bekenntnisses, einem Überblick über die Abschnitte der seit 1972 bestehenden Sozialen Grundsätze und einer Literaturliste.
Der einleitende Beitrag Manfred Marquardts über eine evangelisch-methodistische Sichtweise der sozialen Dimension des Evangeliums betont die notwendige Verankerung sozialen Engagements im Evangelium und in der reformatorischen Rechtfertigungslehre. Neben den klassischen wesleyanischen Themen — Bekämpfung von Armut, Sklaverei und Krieg — wird in diesem Artikel auch die Frage des religiösen Pluralismus im Kontext kleiner werdender Kirchen aufgenommen, wobei die Furchtlosigkeit Jesu im Umgang mit Andersgläubigen hervorgehoben und darauf aufbauend der notwendige Respekt vor Menschen anderen Glaubens betont wird.
Ulrike Schuler beginnt ihren Artikel zur Geschichte des Sozialen Bekenntnisses mit der Feststellung, dass eine ursprüngliche Balance zwischen Glauben und Handeln in der methodistischen Bewegung zugunsten eines individuellen Verständnisses des christlichen Lebens am Ende des 19. Jahrhunderts verloren gegangen war, und präsentiert die Entstehung des Sozialen Bekenntnisses 1908 als eine Reaktion auf diese Entwicklung. Leserinnen und Leser werden sodann auf eine Reise durch gesellschaftspolitische Verhältnisse in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts mitgenommen und in der Folge durch die bisweilen turbulenten ökumenischen und innermethodistischen Diskussionen des 20. Jahrhunderts (unter anderem aufgrund der von der Mutterkirche so wahrgenommenen Radikalisierung der »Methodist Federation for Social Service«, die 1952 zu einer Trennung führte) bis hin zur Entstehung der Sozialen Grundsätze im Anschluss an die Gründung der Evangelisch-methodistischen Kirche 1968 geführt.
Der umfangreichste Beitrag des Buches ist das Arbeitsmaterial von Ulrich Jahreiß unter dem Titel »Mission = Evangelisation + soziales Handeln«. Hier finden sich zunächst biblisch und methodistisch gut verankerte Grundlinien bezüglich eines ganzheitlichen Missionsverständnisses (in der Zusammengehörigkeit von innerer Frömmigkeit und sozialer Tätigkeit). In einem letzten Teil behandelt Jahreiß 28 grundlegende Fragen christlicher Lebensführung, die hervorragend, geeignet sind, um in Kleingruppen mit einander ins Gespräch zu kommen. Während man bisweilen die konkrete Verbindung mit den Sozialen Grundsätzen und dem Sozialen Bekenntnis vermisst, beinhaltet dieses Arbeitsmaterial doch in leicht verständlicher Sprache einen Reichtum an theologischen Einsichten bezüglich eines ganzheitlichen christlichen Lebens, die sich zusammen mit den am Ende befindlichen Vorschlägen zu konkreten Gottesdiensten und Gemeindeabenden sehr gut als »Impulse für die Gemeinde« (so im Untertitel) eignen.
Trotz der miteinander teils nur lose zusammenhängenden Beiträge ist dieses Büchlein nicht zuletzt für das Gemeindeleben eine schöne Handreiche, sich mit der sozialen Verantwortung christlichen Lebens auseinanderzusetzen.
Michael Nausner