Rezension
Podium Nr. 5/2011
Dies ist ein sehr wichtiges Buch — und zwar unter vielen Aspekten: Es stellt einen weitgehend unbekannten Bereich der Kirchengeschichte dar: den freikirchlichen Anteil an der Frömmigkeitsgeschichte des 19. Jahrhunderts, die immer auch eine sozialdiakonische und ökumenische war, speziell bei den Methodisten. Es bietet Einblicke in die Stadtgeschichte der zweitgrößten Stadt Deutschlands, die sich im Vergleich zum übrigen Deutschland relativ tolerant und weltoffen verhielt und in der der Säkularisierungsprozess besonders weit fortgeschritten war, dessen kirchliches Leben aber durch einen rigiden lutherischen Konservativismus bestimmt wurde.
Den Methodisten ging es nicht darum, Gemeinden oder gar »Gemeinden nach dem Neuen Testament« zu gründen. Sie wollten »Seelen retten« und damit der Säkularisierung der Gesellschaft und des Einzelnen Einhalt gebieten. Dass es trotzdem zur Bildung von eigenen Gemeinden kam, war — wie man hier lesen kann — unausweichlich.
Dem Verfasser geht es mit Nachdruck darum, dass das methodistische Kirchenverständnis am sachgemäßesten im Rahmen von Mission definiert wird. Hinter dem Beschluss, in Hamburg zu arbeiten, stand die Strategie eines kirchlichen Selbstverständnisses: Es ging um die Missionierung der gottentfremdeten Menschen und den Ruf zur Umkehr, nicht etwa um »Gemeindewachstum«. Wesentlicher Aspekt der missionarischen Arbeit in Hamburg (und anderswo) war der diakonische Bereich: Erst als die Bethanien-Diakonissen nach Hamburg kamen, entwickelte sich die anfangs sehr mühsame Arbeit. Diese Frauen arbeiteten zunächst nicht in Krankenhäusern und Anstalten, sondern kümmerten sich um Kranke und Arme in deren Häusern.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Darstellung ist die Wandlung, die sich in der Einstellung und in den Methoden der methodistischen »Prediger« und ihrer Mitarbeiter mit dem Beginn einer Großstadtarbeit vollzog. Grundsätzlich standen die Methodisten den Arbeiterbewegungen und später den christlichen Sozialisten nahe, was bald zu Zerwürfnissen, ja zu offener Gegnerschaft auch der »Inneren Mission« führte. Diese war nämlich durchaus konservativ-nationalistisch. Ein Literaturverzeichnis sowie ausführliche Personen-, Sach- und Ortsregister ergänzen dieses sehr empfehlenswerte Buch.
Hartmut Handt