Rezension
Rechtsgeschichte, 126. Band, 2009
Zu den ältesten politischen Einrichtungen der römischen Frühgeschichte, die wir mangels zeitgenössischer Überlieferung nur aus späteren Nachrichten rekonstruieren können, zählt die Tribus, als Untereinheit des römischen Gesamtvolkes. Romulus soll drei Tribus (Dion.Hal. II, 7,2-4), Servius Tullius vier Stadttribus (Liv. I,43,13; Dion.Hal. IV, 14,1) eingerichtet haben. Im Jahre 495 v. Chr. gab es 21 Tribus (Liv. II, 21,7; Dion.Hal. VII, 64,6), von denen 17 Landtribus (356ff.) gewesen seien: Ihre Anzahl war jedoch, nach Dionys von Halikarnass (V, 15,1), schon unter den antiken Autoren umstritten.
Die verschiedenen in der Antike geäußerten Meinungen zu Entstehung und Anzahl der Tribus spiegeln sich in der modernen Forschung wider: Eine Vielzahl von Beiträgen zu diesem Thema verrät das große Interesse der Althistoriker und Rechtsgelehrten. Ziel der Arbeit von M. Rieger (R.) ist eine Untersuchung der römischen Tribus im Hinblick auf ihren Ursprung und ihre Entwicklung: Die Tribus sei ihm zufolge als historisches Phänomen ohne vorstädtische Wurzeln zu sehen; in den Tribus sei eine externe mediterrane mit einer einheimischen Komponente verschmolzen. Inhaltlich spiegle die Tribus die Gliederung der Bürger und markiere geografisch gesehen den sich immer starker ausdehnenden ager Romanus.
Das Buch besteht aus sechs Kapiteln mit zahlreichen ausführlichen Anmerkungen. Zusammenfassungen und Tabellen in den einzelnen Kapiteln sowie zehn Register erleichtern das Nachschlagen in diesem breit angelegten Werk. Mehrere Karten veranschaulichen die Erörterungen, die umfassende Bibliographie informiert den Leser darüber hinaus über den aktuellen Stand der Forschung.
Am Beginn der Stadtwerdung Roms stand der Zusammenschluss zweier Siedlungskerne auf dem Palatin, zu denen mit der Zeit andere Ansiedlungen kamen, so dass sich der ursprüngliche Siedlungskern laufend erweiterte (Kap. I). Im Zuge dieser Stadtwerdung entstanden allmählich gemeinschaftliche Bauten – Befestigungsanlage, Comitium, Curia, Regia – welche Rom urbanes Aussehen verliehen; die Bewohner wurden politisch in den Tribus organisiert. Dies ereignete sich gegen Ende des 7. Jh. v. Chr.
Charakteristisch für diese Zeit sei die Mobilität des Einzelnen gewesen (Kap. II, 83 ff.), so dass die in der Forschung vertretene These von der Existenz ethnisch in sich geschlossener Gruppen in den einzelnen Ansiedlungen bzw. Tribus unannehmbar sei, auch wenn die drei älteren Tribus Ramnes, Tities und Luceres die Namen etruskischer gentes trugen (121, 273). Dies setze allerdings nicht zwangsläufig die Existenz etruskischer Tribus voraus. Die etruskischen Namen der gentes seien vielmehr Ausdruck der Herrschaft eines Königs etruskischer Abstammung. Jedem einzelnen der drei römischen Tribus hätten aber Gruppen etruskischer, sabinischer und latinischer Abstammung angehört. Diese Tribus als städtische Einrichtungen seien als politische und militärische Neuerungen (24ff.) in Zusammenhang mit der Stadtwerdung, mit der Einführung der Hoplitentaktik und der Formierung der gentes (266) geschaffen worden. Diese Tribus seien militärische Wehrbezirke des ursprünglichen Siedlungskernes, des Septimontium, gewesen; gleichzeitig habe es sich aber auch um »territoriale Untergliederungen der römischen Bürgerschaft« gehandelt, welche es den gentes ermöglichten, an der Führung der Stadt teilzunehmen (272). Unterabteilungen der Tribus waren 30 Kurien, die ebenfalls militärische Funktionen hatten (98).
Die gentilizischen Tribus trugen wesentlich zur Zentralisierung der Stadt Rom und ihrer Institutionen bei und förderten darüber hinaus die Bildung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Bewohner, was wiederum eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Hoplitentaktik war (275). Der Gründer dieser Tribus war wahrscheinlich (278) bzw. vermutlich (465) der aus Etrurien stammende Tarquinius Priscus, d. h. die frühen Tribus wurden während seiner Regierungszeit ab Beginn des 6. Jh. oder gegen die Mitte des 6. Jh. v. Chr. eingerichtet. Die Herrschaftszeit des Priscus wird also von R. später angesetzt als traditionell üblich (614-578 v. Chr.).
Vorbild dieser frühen römischen Tribus seien die griechischen Phylen gewesen, denn wie diese seien sie zu politischen und militärischen Zwecken geschaffen worden. Die Bedeutung der Territorialität dieser Unterteilungen der Stadt und der Bürgerschaft sowie die übereinstimmende militärische Bedeutung der Reiterei weisen auf enge Beziehungen zu Korinth hin (273). Insofern seien die römischen Tribus künstliche Einheiten, ihre Einrichtung somit ein Akt politischer Rationalität (262) seitens der gentilizischen Verbände gewesen, welche mit dieser Maßnahme die Wehrfähigkeit der Stadt garantierten (277). Am Prozess der Einrichtung der Tribus seien Beziehungen zu den Etruskern, Latinern, dem sabellischen Italien und der griechischen Staatenwelt (230) »involviert«. Ein Hinweis auf etruskische Vermittlung sei die Existenz einer den frührömischen Tribus ähnlichen Praxis in Etrurien (152ff.) ‒ R. verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf die Hinweise in den etruskischen Ritualbüchern (Verrius Flaccus bei Festus 358L) und auf ein Schleuderblei aus Asculum, das in etruskischen Buchstaben des 1. Jh. v. Chr. die Aufschrift phvle IL trägt)[1]). Diesbezüglich fragt es sich allerdings, ob ein so später Beleg, der zudem im von Etrurien weit entfernten Pikenum gefunden wurde, tatsachlich die weit reichende Annahme, dass die Etrusker vierhundert Jahre früher Phylen gehabt hätten, zu stützen vermag. Auch würde man erwarten, dass im 1. Jh. v. Chr. im römischen Heer die Heeresabteilungen nicht im etruskischen sondern im lateinischen Alphabet vermerkt worden wären. Ob schließlich die späten Hinweise auf Tribus-, Kurien- und Zenturieneinteilung in den etruskischen Ritualbüchern bei Verrius Flaccus, der die römischen Einrichtungen kannte, stichhaltig sind, sei dahingestellt.
Servius Tullius (Kap. III, 278ff.) habe Rom neu organisiert, und zwar nach territorialen Kriterien, indem er die Stadt unter topografischen Gesichtspunkten in vier lokale Stadttribus einteilte und entsprechend als Collina, Esquilina, Palatina und Suburana benannte (318f). In diese Tribus, die ursprünglich Rekrutierungsbezirke waren, wurde die ganze Bevölkerung nach Wohnsitz und Vermögen eingetragen: Als Verwaltungs- und Wehrbezirke dienten die Stadttribus einerseits der Erhebung der Steuern, andererseits der Aushebung der Truppen. Dabei verloren allerdings die älteren drei Tribus nicht ihre ursprüngliche Rolle als Stadt- und als Rekrutierungsbezirke des Fußvolkes (319ff.), wenngleich die neue Einteilung der Bürgerschaft zu einer Schwächung der Position des Adels führte.
Zum Prozess der Stadtwerdung gehörte weiters die Errichtung der Verteidigungsmauer, die Definition des pomeriums als sakrale Grenze der Stadt und die Schaffung einer dauerhaften Verwaltung. Die pagi auf dem Land wurden nun zu Unterbezirken der Stadttribus. In diesem Zusammenhang sind auch die von R. nicht berücksichtigten Erkenntnisse von H. Rix über die Organisation der Bürgerschaft erhellend und können dem Verf. als Stütze für seine Argumentation dienen[2]): Im zweiten Viertel des 6. Jh. v. Chr. wurden in Rom die im späteren Latein bekannten Abkürzungen für Personennamen aus Etrurien übernommen, u. a. zwischen 580 und 510 v. Chr. das <m> für Marcus und um 570 v. Chr. das <k> für das von den Fabii und den Quinctii verwendete Praenomen Kaeso. Vermutlich dienten die Kürzel der Registrierung einer großen Zahl von Personen mit zwei bis drei Namen, was bei einer amtlichen Erfassung vor Bürgern bzw. Wehrfähigen erforderlich war, wohl um die Bevölkerung in Vermögensklassen einzuteilen und entsprechenden Truppengattungen zuzuordnen.
Die neue Organisation trug auch wesentlich zur Ausbildung und Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Bürger bei und bildete eine weitere wichtige Voraussetzung für die Einrichtung der Hoplitenphalanx, wobei der Adel aber die höchsten militärischen Ämter behielt (321). Nicht mehr die neuen Kurien waren nun die Untereinheiten der Tribus, sondern die Reiterei und das Fußvolk, eingeteilt in Dekurie und Zenturien.
Getrennt von den Stadttribus und noch vor 495 v. Chr. wurden 17 Landtribus eingerichtet (Kap. IV, 345ff.), deren Bezeichnung tribus rusticae im Gegensatz zu tribus urbanae rein geografisch aufzufassen ist. Die Landtribus waren also territoriale Bezirke, in denen die Bewohner nach dem Wohnsitz eingetragen wurden; sie dienten jedoch auch – wie die Stadttribus – einer Rekrutierung der Soldaten und deren Einteilung nach Vermögensklassen.
Die Landtribus, die auf dem ager Romanus entstanden, trugen – mit Ausnahme der tribus Clustumina, die geografisch bezeichnet wurde – etruskische (385ff.), sabinische, latinische oder römische Gentilnamen (382ff.); dies spricht für die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Namen gebenden gentes. Die neuen gentes traten nun an die Stelle bzw. neben jene gentes, die in den alten Tribus eingetragen gewesen waren. Ihre Namen verraten, nach R., dass sie von auswärts nach Rom einwanderten. Das Beispiel der Claudier, das wir dank einer ausführlichen Überlieferung gut kennen, zeige, dass sich die neuen gentes in Rom leicht integrierten. Es fragt sich allerdings ebenso, ob die Mehrheit dieser Adeligen nicht schon lange in den Tribus ansässig war und mit der Zeit sich freiwillig oder gezwungen der Herrschaft Roms unterstellte. Die ausführliche Überlieferung zu den Claudiern könnte nämlich ebenso als Hinweis dafür gewertet werden, dass die eingewanderten Claudier eine Ausnahme waren.
Die Landtribus seien also nach R. Bezirke gewesen, in denen die gentes ihre Herrschaft über eine Mittelschicht ausübten und somit bereits ein Patriziat bildeten. Überzeugend gelingt es R. dabei, die secessio plebis in diesen historischen Rahmen einzufügen: Die neue Maßnahme, d.h. die Einrichtung der Landtribus, erfolgte zugunsten der gentes, was zur Revolte der unteren Schicht geführt haben soll. Die Einrichtung der tribus Clustumina, also einer Tribus, die nicht nach einer gens genannt wurde, sowie das concilium plebis sprechen dafür, dass die Plebejer nach ihrer Revolte doch eine Besserstellung erreicht hatten. Die Tribus spielten von diesem Zeitpunkt an eine wichtigere Rolle nicht nur bei der Rekrutierung, sondern auch bei der Verwaltung, was zu einer engeren Bindung der Bürger an Rom führte.
Mit Kap. V (469ff.) beginnt der zweite Teil des Buches, was allerdings nicht eigens gekennzeichnet ist. Der Verf. lokalisiert nun die Grenzen der Tribus anhand der Überlieferung, bei gleichzeitiger Heranziehung anderer Quellengattungen wie Toponyma, Grabstätten, Bau- und Ehreninschriften usw. Die drei früheren Tribus bezogen auch das Umland von Rom und nicht nur das Septimontium ein; die vier servianischen Stadttribus lassen sich anhand ihrer Namen unschwer lokalisieren (479ff.). Umstritten sind dagegen die Lokalisierung und die Entstehungszeit der Landtribus, die gleichzeitig oder nacheinander eingerichtet wurden (345ff.; 494ff.). Der Verf. nimmt eine progressive Ausdehnung des ager Romanus an: dafür sprechen nach R. ein frühes Interesse Roms am Tiber, der erste Vertrag mit Karthago und das foedus Cassianum (501ff.).
Für den Etruskologen sind in diesem Zusammenhang allerdings einige sachliche Aussagen des Verf. zumindest diskutabel; dies umso mehr, als sie mit einer angeblichen Vorrangstellung Roms schon im 6. Jh. v. Chr. verknüpft werden. So kennt die Überlieferung neben dem indoeuropäischen Namen des Tiber – ob er italisch-sabellisch oder lateinisch ist, bleibt offen[3]) – auch einen etruskischen Namen, nämlich Rumon (Servius, ad Aen. VIII, 63; 90): Dies beweist – ebenso wie der Name Tiber für Rom (502) –, das Interesse auch der anderen Anrainer und zumindest der Etrusker und nicht nur Roms an diesem Fluss.
Im Zusammenhang mit dem 1. Vertrag zwischen Rom und Karthago (508 v. Chr.) nimmt R. an, dass Rom »als wichtige Seemacht einen eigenen, bedeutenden Zugang zum Mittelmeer, der die Stadt den Karthagern als Handelpartner attraktiv machte« hatte und kontrollierte. Er setzt fort: »Dass der Einfluss der urbs bereits am rechten Tiberufer endete« sei »unwahrscheinlich« (501). Der »bedeutende Zugang zum Meer« impliziert allerdings nicht, dass Rom bereits am rechten Tiberufer saß, wie R. annimmt: Umso mehr als die von Rom »beschützten« Städte links vom Tiber lagen, wie aus Polybios (III, 22-26) eindeutig hervorgeht, und wie R. selbst zugibt (501). Auch würde eine Präsenz Roms, welche wahrscheinlich »bereits am rechten Tiberufer endete« bedeuten, dass sich Rom 508 v. Chr. über das rechte Ufer hinaus, also im ager Caeretanus, festgesetzt hatte. Die zweisprachigen Goldtäfelchen von Pyrgi sind nicht nur ein Beweis der karthagischen »Handelsinteressen an der tyrrhenischen Küste« – so R.; vielmehr hebt der punische Text von Pyrgi, von dem wir wegen der weitgehenden Unverständlichkeit der etruskischen Texte ausgehen müssen, die Rolle des Stifters Thefarie Velianas und der von ihm vertretenen Stadt Caere besonders hervor. Es ergibt sich, dass Rom im Jahre 508 v.Chr. den Tiber nordwärts nicht überschritten hatte; vielmehr weisen die Inschriften von Pyrgi auf eine besondere Blütezeit Caeres, das selbst einen direkten Draht zu Karthago initiiert hatte, hin.
Der Text des foedus Cassianum bei Dionys von Halikarnass (VI, 95,2) schließlich unterstützt nicht unbedingt die Annahme einer Vormachtstellung Roms; der Text spricht stets für beide Parteien, d. h. Römer und Latiner übernehmen die gleichen Verpflichtungen. Die Überlieferung des L. Cincius (bei Festus 166L/276, 20L), nach der Rom »in bestimmten Jahren einen Oberkommandierenden für das Bundesheer auf Befehl des nomen Latinum stellen konnte«, erlaubt nicht den weit reichenden Schluss des Verf. (501), dass nach Cincius »stillschweigend der Regelfall eines konstanten römischen Oberbefehls vorauszusetzen« sei. Cincius sagt vielmehr, dass der Oberbefehl im Latinerbund zwischen Latinern und Rom wechselte. Schließlich stehe nach Livius (VIII, 2, 13) »im Vertrag mit den Latinern nichts, wodurch sie gehindert würden, mit wem sie wollten, Krieg zu führen«. Die Tatsache, dass Rom allein gegen die Latiner stand, ist somit eher als römisches Streben nach einer Vormachtstellung zu interpretieren, nicht jedoch als Beleg dafür, dass eine solche bereits bestand; denn unter diesen Umständen hätten die Römer den Latinern wohl kaum eine politische Gleichstellung gewährt.
Die Untersuchung des Verf. führt zu Korrekturen der bisher angenommenen Grenzen der Tribus, d. h. zu einer Einteilung des ager Romanus und zu einer Lokalisierung der einzelnen Landtribus (470ff.), die sich von jener L. R. Taylors und A. Alföldis erheblich unterscheidet, wie auch eine Tabelle (587) sehr anschaulich zeigt. Im Ergebnisteil (Kap. VI, 614ff.) werden darüber hinaus der Ursprung und die Entwicklung der Tribus zusammenfassend dargestellt. Methodisch kündigt der Verf. einen Vergleich des archäologischen Befundes mit den schriftlichen Quellen an (14). Den Verzicht auf anthropologisch-ethnologische Parallelen über Heeres- und Verwaltungsbildung (17) mag man bedauern. Bezüglich des archäologischen Befundes bezieht sich R. auf die zahlreichen Grabungsberichte über Rom und seine unmittelbare Umgebung, die aus den letzten Jahrzehnten zwar deutlich zugenommen haben, aber nach wie vor sehr umstritten sind[4]): Ein wichtiger Ausgangspunkt seiner Erörterungen beruht also zum Gutteil auf der subjektiven Interpretation der Ausgräber[5]), was dem Verf. auch bewusst ist. Das Zusammentragen aller zur Verfügung stehenden Quellen und Aussagen zu einem Themenkomplex – z. B. zur Überlieferung zu Servius Tullius (276ff.) – und die Überprüfung fremder Deutungen auf ihre Stichhaltigkeit, sind zweifellos methodisch richtig. Die erneute Diskussion und Prüfung von an sich bereits allgemein anerkannten Ansichten (u. a. 240ff. über den korinthischen Einfluss auf Rom) lenkt den Leser jedoch leider mitunter vom eigentlichen Thema ab. Auch Wiederholungen von Gedanken und Fakten sind hie und da störend, angesichts des breiten Ansatzes der Untersuchung aber verständlich: So etwa die Hinweise auf Mobilität der frührömischen Bevölkerung (u. a. 218, 308f., 468) bzw. das Verhältnis zwischen Tribus und Kurie (96, 100, 117, 123, 137). In jedem Fall zeigt der gewählte methodische Ansatz, bei dem politisch-historische, archäologische und epigraphische Zeugnisse gleichermaßen berücksichtigt werden, dass die allgemeine Forderung, verstärkt Nachbardisziplinen bei der Interpretation von Perioden heranzuziehen, für die eine zeitgenössische Überlieferung fehlt, ihre volle Berechtigung hat[6]). Trotz der hier dargelegten – und ihrerseits durchaus diskutierbaren – Einwände gegen einzelne Aussagen des Buches, überwiegen in jedem Fall seine positiven Aspekte: Dazu zählen in erster Linie die kritische Stellungnahme zur bisherigen Forschung, die sehr detaillierten und überaus fundierten Darstellungen der Tribus in den unterschiedlichen Gemeinden Italiens und Griechenlands sowie schließlich die Vielzahl der angesprochenen Fragen und Themen, deren gründliche Besprechungen – etwa im Fall der Stadtwerdung Roms, der Erklärung des umbrischen Wortes Trifu, oder der Interpretation der griechischen Phylen usw. – wie einzelne Forschungsberichte anmuten. Für diesen großen Einsatz wird jeder Leser überaus dankbar sein. So gesehen stellt das Buch eine der besten Synthesen der Frühgeschichte Roms da, die in den letzten Jahren vorgelegt wurden. Das Grundanliegen des Buches, nämlich die urbanen wie institutionellen Dimensionen der Stadtwerdung Roms, welche getrennt berücksichtigt werden müssen, herauszuarbeiten, ist von großer wissenschaftlicher Bedeutung.
Ergänzend möchte ich zur viel diskutierten Frage der Zugehörigkeit der Etrusker zu den indoeuropäischen Völkern folgendes bemerken: R. zählt die Etrusker nicht zu diesen Völkern (259). In den letzten Jahren hat man eine Verwandtschaft des Etruskischen mit dem Rätischen, das ab dem 5. Jh. v. Chr. im Raum Trentino, in Süd- und Nordtirol gesprochen wurde, erkannt). Zur selben Sprachgruppe gehört auch die Sprache der Insel Lemnos. Diese Verwandtschaft kann einen ausschließlich indoeuropäischen Charakter des Etruskischen zwar weiterhin nicht beweisen, sie unterstützt aber auch nicht eine dezidiere Ablehnung der Zugehörigkeit der Etrusker zu den indoeuropäischen Völker.
[1] Die Hinweise Servius' (ad Aen. X, 202) in Bezug auf Tribus im etruskischen Mantua und die Bezeichnung Novempagi für eine etruskische, aber nicht näher lokalisierbare Region bei Plinius n. h. 3,52, seien jedoch (152ff.), nach eingehender Überprüfung nicht stichhaltig.
[2] H. Rix, Wie weit können wir Livius trauen? Römische Frühgeschichte, Annalenkritik und Sprachwissenschaft, in: Dialog Schule & Wissenschaft, Klassische Sprachen und Literaturen Bd. XXXIV, Antike Literatur – Mensch, Sprache, Welt, München 2000, 106-125, bes. 114ff.
[3] C. De Simone, Il nome del Tevere, Contributo per la storia delle più antiche relazioni tra genti latino-italiche, in St.Etr. 43, 1975, 119-157.
[4] F. Ko1b, Rom, Die Geschichte der Stadt in der Antike, München, ²2002, 54ff. und752ff.
[5] A. Carandini, Die Geburt Roms, Düsseldorf 2002.
[6] F. Schachermeyr, Etruskische Frühgeschichte, Baden Baden 1929, 4f.; M. Pallottino, Etruscologia, Milano 1942, 13ff.