Rezension
Theologie für die Praxis 35 (2009) Heft 1
Praxisbericht
Es war die dritte 40-Tage-Kampagne, die wir in unseren Gemeinden durchgeführt haben. Nach »Leben mit Vision« und »Liebe in Aktion« ging es nun also um »Fruchtbare Gemeinden«. Rein äußerlich gibt es keine Unterschiede: Es wird auf die bewährte Struktur mit den drei Säulen Gottes-Dienst, Kleingruppe und persönliche Lektüre zurückgegriffen. Inhaltlich jedoch geht es weniger um die persönliche Glaubensentwicklung als um die Entwicklung der Gemeinden.
Wir haben uns diesem Thema bewusst gestellt, weil unsere Gemeinden seit Jahren rückläufige Tendenzen haben. Das Buch von Bischof Schnase macht da Mut, denn es wird deutlich: Gemeindewachstum ist möglich, auch im Kontext der Evangelisch-methodistischen Kirche. Und es war die Erwartung da, dass durch die Beschäftigung mit dem Buch das eine oder andere Thema in unserer Gemeindearbeit aufbricht und neue Bewegung in das Gemeindeleben kommt.
Um es vorneweg zu sagen: Das Buch ist ein Arbeitsbuch. Es liest sich nicht wie ein Roman, sondern erfordert durchaus auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Manche von uns haben das Buch als etwas schwer zu lesen empfunden. Die meisten haben es Kapitel für Kapitel von vorne nach hinten gelesen und sich den täglichen Lesestoff selbst eingeteilt. Von der Möglichkeit, sich das Buch anhand der vorgeschlagenen täglichen Andachten im hinteren Teil zu erschließen, wurde nur selten Gebrauch gemacht, obwohl das durchaus auch Sinn macht und für manche ein hilfreicher Weg zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt sein kann. Vielleicht wäre es gut, auf diese Möglichkeit intensiver hinzuweisen. Am besten allerdings ist meiner Meinung nach, das Buch einmal durchzulesen und dann mit den täglichen Andachten weiterzuarbeiten.
Die Menge des zu lesenden Stoffes wurde als machbar empfunden. Es hat sich niemand darüber beschwert, dass es zu viel sei. Durch die Beispiel-Geschichten wird das jeweilige Thema anschaulich und vertieft. Hilfreich ist der klar strukturierte Aufbau des Buches. Diese Struktur tritt auch deutlich in den täglichen Andachten zutage (Einführung, biblische Orientierung, methodistische Tradition, Kennzeichen, Schritte auf dem Weg, Gruppenarbeit). Die Tatsache, dass es nur sechs tägliche Andachten gibt, lässt auch etwas Freiraum und nimmt den Druck, jeden Tag etwas lesen zu müssen. Das bietet dann auch die Chance, Versäumtes wieder aufzuholen. Positiv zu erwähnen ist auch, dass am Ende der jeweiligen Einheit die Möglichkeit besteht, sich Notizen für die Gruppenarbeit zu machen.
Die Tipps zur Gestaltung der Kleingruppen sind recht knapp gehalten, aber insgesamt brauchbar. Es liegt auch im Ermessen der Kleingruppenleitung, ob der Schwerpunkt auf dem Austausch über das Gelesene liegen oder ob mehr am biblischen Text gearbeitet werden soll.
Besonders erwähnenswert ist die biblische Betrachtung der Kennzeichen wie auch die Verankerung in der methodistischen Tradition. Ein Buch aus dem methodistischen Raum zum Thema Gemeindeaufbau lässt sich einfach auch besser in unseren Gemeinden vermitteln.
Die fünf Kennzeichen fruchtbarer Gemeinden wurden insgesamt als einleuchtend empfunden. Man merkt die Verankerung des Autors in der Praxis der Gemeindearbeit. Allerdings schimmert der amerikanische Kontext immer wieder durch, was von manchen als irritierend empfunden wurde. Wenn z. B. von einer Sonntagsschule für Erwachsene die Rede ist oder von Parkplatzanweisern, dann ist das doch etwas fern unserer Realität. Legt man hier jedoch eine gewisse Großzügigkeit an den Tag, dann sind diese Beispiele trotzdem hilfreich. Gerade die etwas ungewöhnlichen Beispiele haben deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, irgendein Konzept zu übernehmen, sondern zu schauen, was denn für uns vor Ort fruchtbar werden könnte. Und das entspricht ja genau der Absicht des Buches. Das Patentrezept gibt es nicht. Die eigentliche Arbeit geht dann auch erst nach der Lektüre des Buches los. Es wird noch viel Kraft und Zeit kosten, die Prozesse der Veränderung einzuleiten und durchzuführen.
Bei uns z.B. wurde die Lust geweckt, einen unserer zwei Sonntagsgottesdienste auf dem Bezirk zeitgemäßer zu gestalten. Oder es wurde uns bewusst, dass wir unsere Räume nicht beschildert haben. Wir durften Bereiche entdecken, in denen wir eigentlich schon ganz gut sind (z. B. Kleingruppenarbeit, Spendenbereitschaft). Es wurden uns aber auch für die Bereiche die Augen geöffnet, in denen noch Luft nach oben ist (z. B. Gastfreundschaft, Mission und Evangelisation).
Die Erkenntnis, dass unsere Gemeinden trotz großen persönlichen Einsatzes seit Jahrzehnten »unfruchtbar« im Sinne des Buches sind, tat weh, war ernüchternd und deprimierend. Vielleicht war es auch ein heilsamer Schreck. Aber das muss sich erst noch erweisen.
Jedenfalls weckt das Buch meinem Eindruck nach die Sehnsucht nach fruchtbaren Gemeinden. Und es macht deutlich, dass fruchtbare Gemeinden auch in unserem Kontext durchaus möglich sind. So bleibt die hoffnungsvolle Erwartung, dass Gott in uns und durch uns wirkt.
Uns ist schließlich noch deutlich geworden, dass die besten Konzepte und Ideen letztlich nichts bringen, wenn nicht die persönliche Bereitschaft zur Veränderung da ist. Was wir zunächst und zuerst brauchen, ist Buße und Umkehr, erneute Hingabe an Gott. Deshalb haben wir am letzten Gottes-Dienst auch zu einem Hingabegebet eingeladen. Es sind eigentlich gar nicht so sehr unsere Strukturen zu verändern, sondern wir selbst brauchen Erneuerung. Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen will neu entdeckt und gelebt werden. Wo wir uns neu dem Geist Gottes öffnen, wird er – Kampagne hin oder her – das Seine tun. Darauf freuen wir uns.
Bernhard Schäfer