Rezension
Podium Nr. 8/2009
Zum Jubiläumsjahr hat Gary Best, Leiter der von den Wesley-Brüdern gegründeten Kingswood School in Bath/GB, eine Biografie über Charles Wesley verfasst. Nun liegt sie auch in deutscher Übersetzung vor. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Doppelbiografie von John und Charles Wesley. Wir erhalten Einblick in die spannungsreiche Beziehung der beiden Brüder und ihrer Oxforder Freunde, die am Aufbau der methodistischen Bewegung mitgewirkt haben. Best gibt darüber hinaus viele Hinweise, was in der damaligen Gesellschaft und Politik geschah und wie es sich auf die Entwicklung des Methodismus ausgewirkt hat. Das ergibt ein farbiges Bild der damaligen Zeit. Wir lernen in diesem Buch Charles Wesley nicht nur als den »Sänger des Methodismus« und glücklichen Ehemann kennen, der – bedingt durch eine schwache Konstitution – seine Pausen als Reiseprediger zum Verfassen von Liedern nutzte. Charles Wesley spielte eine wesentliche Rolle in der Ausbildung und Prüfung der methodistischen Laienprediger. Wenn sie über Johns autoritären Stil murrten, war er ein geduldiger Zuhörer und Besänftiger. In den Auseinandersetzungen zwischen John Wesley und George Whitefield war Charles als Vermittler tätig und hielt so über dreißig Jahre hinweg die Verbindungen aufrecht. Auch die fehlgeschlagene Vermittlung im Vorfeld der Heirat von John Wesley wird beleuchtet. Best gelingt es mit dieser Biografie, Charles Wesley aus dem Schatten seines Bruders John hervorzuholen. Wir erfahren einiges darüber, in welchen Situationen und aufgrund welcher konkreten Anlässe seine Liedsammlungen entstanden sind. Auch wird nicht verschwiegen, weshalb Charles in der späteren Wahrnehmung und Überlieferung in den Hintergrund treten musste. Mir selbst ist durch diese Doppelbiografie bewusst geworden, in welch konfliktträchtiger Weise sich die methodistische Bewegung entwickelt hat. Es wurde in vielen Punkten gestritten: über die calvinistische Lehre der Prädestination, über die christliche Vollkommenheit und ob man sie erlangen kann, darüber ob man Laienprediger ordinieren soll und inwieweit auch Frauen als Reisepredigerinnen tätig sein sollen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass sich der Methodismus unter diesen Umständen überhaupt ausbreiten konnte. Es muss auch an einer Person wie Charles Wesley gelegen haben, der stets bereit war seinem Bruder John die Führungsrolle zu überlassen, sich aber klar positioniert hat, wenn er anderer Meinung war und dennoch immer wieder den Weg der Versöhnung gesucht hat.
Esther Handschin