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Rezension

theologische beiträge, 39. Jg., August 2008

 
 
Das Leiden und die Gottesliebe. Beiträge zur Frage der Theodizee. Hg. Jörg Barthel, Holger Eschmann und Christof Voigt (Reutlinger Theologische Studien, Band 1), Göttingen: Edition Ruprecht 2006, 140 S., 22,90 €
 
Wolfgang J. Bittner: Bist du es, Gott? Liebe, Leid, Ungerechtigkeit. Biblische Steine auf dem Weg durch unsere Zeit (Paraklesis ‒ Schriften zum geistlichen Leben in der Kirche, Band 7), Schwarzenfeld: Neufeld Verlag 2007, 143 S., 9,90 €.
 
 

Die Frage: Wie kann der Gott der Liebe Leid und Ungerechtigkeit zulassen? ist nicht verstummt und wird nicht verstummen. lm Gemeindehorizont (Bittner) und im Spannungsfeld akademischer Theologie (Reutlinger Studien) wird die angesprochene Frage in erfreulich vielen Aspekten aufgenommen. Beide Bände richten den Blick auf die »dunklen Seiten Gottes«.

Die acht Reutlinger Beiträge zur Theodizee (eine Predigt, zwei Bibelarbeiten, vier theologische Vorträge und eine poetische Meditation) sind im Rahmen einer theologischen Woche bei der Evangelisch-methodistischen Kirche entstanden. Sie entfalten das Thema biblisch-exegetisch, systematisch, philosophisch, unter Einbeziehung der (deutschen) Zeitgeschichte.

In letztgenannter Hinsicht ist die Bibelarbeit zu Genesis 22, Jizchaks Überleben« von Annette Böckler besonders eindrücklich. Isaak, der auf dem Opferaltar gebunden ist, wird zur Identifikationsfigur des Judentums. Elie Wiesel (geb. 1928) meint, die ganze jüdische Geschichte mit Hilfe dieses Kapitels verstehen zu können.
 
Er hat den Begriff »Holocaust« in die geschichtstheologische Diskussion eingebracht, sich aber später entschieden davon distanziert (»Es war kein »Opfer« für Gott.  Es war sinnlose Vernichtung, fern von Gott, gerade kein Brandopfer«, 25). Die meisten heutigen Juden sprechen von "Schoah". So gibt die Autorin Sprachhilfe für eine »Theologie nach Auschwitz«. ‒ Aber auch die Auslegung  der Geschichte selbst wirft tiefste Fragen auf: Ähnelt Abraham dem Fanatiker unserer Tage, der mit seinem Tun das Licht Gottes für andere Menschen verdunkelt? Im Gespräch mit der jüdischen Auslegungstradition »(kommt es) nicht darauf an, eine  
einzige Wahrheit in der gesamten Geschichte aufzuzeigen, sondern Fragen zu wecken, … um Licht in die Dunkelheiten unseres Lebens und unserer Gottesvorstellungen zu werfen.« (21)
 
Von durchsichtiger Klarheit ist der theologische Vortrag von Walter Dietrich: »Erfahrungen von Leid und Tod und das Festhalten an Gott nach dem Alten Testament«. So sehr Gott eine unheimliche, Leid verursachende Seite hat, so sehr gilt auch, »dass der Leidende (und Sterbende) nirgendwo sonst nach Trost suchen kann (und darf) als bei seinem Gott« (52) »Israel ist nicht bereit, Gott aus der Verantwortung für alles, was geschieht, zu entlassen.« (S. 57) Hiob ‒ in seiner Verfluchung des Tages seiner Geburt, in seinen Attacken gegen den Schöpfer ‒ wird eingehend behandelt.   
 
Systematische und philosophische Erwägungen finden sich in fast allen Vorträgen. Epikur, Leibniz, Hans Jonas finden Erwähnung. ‒ Leitet die Bibel zu einer pädagogischen oder moralisierenden Deutung des Leidens an? Wie sind die Begriffe »Sünde, Erbsünde, strukturelle Sünde« auszulegen? Wenn die Freiheit, die Gott dem Menschen in seiner Liebe gewährt, immer auch Freiheit zum Bösen ist, ist sie dann »der Preis der Liebe«?
 
Die Frage der Theodizee lässt sich nicht durch religiöse Erklärungen lösen. »Es gibt eine Erklärung, die die Kälte der Welt steigert und die Gesichter der Opfer unkenntlich macht.« (Fulbert Steffensky, 35) Die Anstößigkeit des Leidens der Geschöpfe Gottes, die Spannung zwischen dem Offenbarsein Gottes und seiner tiefen Verborgenheit bleibt bestehen. »Wie paradox erscheint der in Finsternis verschlossene Himmel in der Todesstunde Jesu...« (Hans-Joachim Eckstein, 107).
 
Die »theologia crucis«, die in beiden Bänden entfaltet wird, sagt nun: Die Einsamkeit und Finsternis, die Jesus Christus erlitten hat, hat er für uns und mit uns ertragen, damit wir sie niemals mehr in dieser Tiefe erleiden müssen. In der Selbsthingabe des Gottessohnes am Kreuz offenbaren sich Gottes Zuwendung und Liebe, nicht Abwesenheit und Unvermögen.
In beiden Bänden werden die Abgründigkeit der Welt und der Trost des österlichen Glaubens beieinander gehalten. Darin und in der seelsorgerischen Konkretion besteht ihr Vorzug. »Oftmals erleben wir Menschen, die in der Frage »Warum lässt Gott das zu?« stecken bleiben, anstatt als Christen zu der Frage zu kommen: »Warum lässt du, mein Gott, das zu?« … Einen in die Krise geratenen Menschen wollen wir so begleiten, dass er seine eigene Sprache vor Gott finden kann« (Christin Eibisch/Olf Tunger, 92)
Ulrich Both

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Das Leiden und die Gottesliebe

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Das Leiden und die Gottesliebe

Beiträge zur Frage der Theodizee
Barthel, Jörg/Eschmann, Holger/Voigt, Christof

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