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Rezension

Geist und Leben 88 (2015)

Für die etablierten Großkirchen ist die Pfingstbewegung eine Herausforderung, nicht nur in Südamerika. Längst findet global eine »Pentekostalisierung« des Christentums statt. Noch ist nicht klar, ob es sich dabei um Zugeständnisse an die postmoderne (Jugend-)Kultur, also um ästhetische Geschmacksfragen handelt oder ob dabei nicht eine viel tiefergehende Umcodierung stattfindet, kath. Spiritualität zumal. Umso wichtiger sind die seit 2000 alle zwei Jahre stattfindenden Symposien des Johann-Adam-Möhler-lnstitutes mit freikirchlichen Theolog(inn)en. Der vorliegende Band dokumentiert die sechste Tagung, die sich der Frage nach dem konkret-praktisch gelebten Glauben widmete. Während J. Oeldemann »Das geistliche Leben in der katholischen Kirche seit der Reformation« beschreibt (9–48), legt M. Iff eine Skizze zu »Wurzeln und Wesen freikirchlicher Frömmigkeit« vor (49–82). Unterschiedliche Stränge (Evangelikalismus, Pietismus, ev. Mystizismus) haben hier beigetragen, jedenfalls ist der »Wurzelboden« freikirchlicher Frömmigkeit »komplex vernetzt« (55). B. Olpen weist darauf hin, dass die »Sehnsucht pfingstlicher Frömmigkeit nach individueller Berührung durch Gott selbst« (89) die gesamte Glaubensgeschichte begleitet u. dass die zugehörige Spannung zw. vermittelter u. unvermittelter Gotteserfahrung u. Spiritualität nicht neu ist (»Pfingstliche Frömmigkeit in der Spannung zwischen Geistunmittelbarkeit und gesamtkirchlicher Tradition«, 83–101). Er regt eine Neuinterpretation zentraler Positionen Luthers an (93–96). Da zur Geschichte freikirchl. Traditionen die besondere Betonung der persönl. Freiheit u. des freien Willens gehört, bestimmt B. Neumann das Verhältnis von Freiheit u. Gehorsam ggü. bzw. in der kath. Kirche (»Von der Freiheit eines katholischen Christenmenschen«, 103–125). Dachte man bis in die Neuzeit hinein vom kirchl. Gehorsam her auf die Freiheit hin, so wird heute Loyalität mit der Kirche nur von einer recht verstandenen Freiheit her einsichtig. H. Eschmann zählt Merkmale freikirchl. Gottesdienste auf (Orientierung am NT, wenig Bindung an Formulare, Gemeinschaft, Predigt, Gemeindegesang), um dann auf typisch evangelisch-methodistische Charakteristika einzugehen (»Gottesdienst und Liturgie in freikirchlicher Sicht«, 127–148). »Konnexion mit dem Heiland« (151) – so formulierte einst Graf Zinzendorf das Anliegen einer alltägl. Spiritualität. Nichts Anderes hat die Liturgie der Herrnhuter im Sinn, wenn sie das Kirchenjahr als Rhythmus des Lebens auffasst u. dazu hilft, das eigene Leben auf Christus hin zu deuten. Daneben sind die Gebetswacht u. die Losungen prägende Elemente für die »Brüder-Unität« (S. Richter, »Leben im Kirchenjahr. Ein Beitrag aus der Herrnhuter Brüdergemeinde«, 149–163). Beide, die kath. Kirche wie die Freikirchen, stehen vor der Aufgabe, die eigene Tradition unter den Bedingungen gegenwärtiger Gesellschaft zu leben. Nach Auskunft von J. Könemann (»Herausforderungen für den Katholizismus in der Moderne. Gesellschaftliche und innerkirchliche Perspektiven«, 165–187) u. R. Dziewas (»Aus dem Glauben leben. Gesellschaftliche Herausforderungen für Spiritualität und Leben freikirchlicher Gemeinden«, 189–222) tun sich beide schwer damit. Auf dem Hintergrund des Reichtums an konfessionell akzentuierter Spiritualität denkt W. Thönissen anhand von zehn Thesen syst.-ökum. über die komplexe Wirklichkeit kirchl.-christl. Identität, konfessionelle Beheimatung, »Konfessionalismus« u. geistl. Ökumene nach (»Ökumenische Spiritualität im Kontext des konfessionellen, interkonfessionellen und transkonfessionellen Christseins«, 223–239). Die beiden Hrsg. fassen schließlich zusammen (B. Neumann/J. Stolze, 241–249). Die Tagung konnte u. wollte nicht alle Aspekte abdecken. Das Spektrum ist stark aufgefächert u. wird immer unübersichtlicher u. damit die Grenzen fließender (klass. PfingstKirchen, charis. Bewegungen innerhalb der Traditionskirchen, nichtpfingstl. Freikirchen, neopentekostale Gruppen, Evangelikale etc.). Hier wäre eine Begriffsklärung hilfreich gewesen. Aber zu den genannten Denominationen bieten die Beiträge seriöse Information.
Christoph Benke

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Aus dem Glauben leben

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Aus dem Glauben leben

Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven
Neumann, Burkhard/Stolze, Jürgen/Bräker, Jürg/Dziewas, Ralf/Eschmann, Holger/Hardt, Michael/Iff, Markus/Könemann, Judith/Olpen, Bernhard/Richter, Stefan/Thönissen, Wolfgang

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