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Rezension

Lutherische Beiträge, 18. Jahrgang (2013) Heft 2

Eine Besprechung dieses Buches liefert das Buch schon in Form der »Einführung« von Thomas Kaufmann (Göttingen) mit. Es erscheint sinnvoll, sich daran zu orientieren, ob Kolbs Darstellung nach Kaufmann die Entwicklung und den Abschluß der Konkordienformel »als einen primär theologischen Vorgang« betrachtet und darstellt, ohne die politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Rivalitäten genügend zu beachten. Und wenn es so wäre, ob er damit doch gegenüber einer zeitgenössischen, psychologischen oder politischen Interpretation dieses Vorgangs nicht völlig recht habe? Außerdem wäre zu fragen, ob es so falsch ist, die nach Kaufmann »extensive lutherische Streitkultur« sehr nahe an die Debatten der Reformationsgeneration heranzuführen, sprich, jene Fragestellungen nicht von der glorreichen (oder glorifizierten?) Zeit der Reformation und ihrer erhabenen Fragestellungen zu lösen. Tatsächlich stellt Kolb all die Auseinandersetzungen nach Luthers Tod bewußt als »Spätreformation« dar, nicht als »Frühorthodoxie«. Und schließlich muß natürlich auch aus unserer Sicht gefragt werden, warum die Konkordienformel – weil umstritten – nach Kaufmann nicht als »Abschluß im Luthertum« gelten könne (vgl. S. 10–12). Hier schwingen dogmatische Fragestellungen oder sogar Entscheidungen mit. Läßt sich Kirchengeschichte, insbesondere Dogmengeschichte, auf politische, gesellschaftliche und private Vorgänge reduzieren, bzw. daher erklären? Sind die Streitpunkte nach Luthers Tod nur unnötiges Theologengezänk, oder doch eine Fracht, die der Reformator hinterlassen hatte, weil der Reformator eben nicht die Reformation, seine Theologie nicht das lutherische Bekenntnis darstellt? Und läßt sich das Phänomen des Abschlusses lutherischer Bekenntnisbildung im Konkordienbuch so einfach ablehnen, ohne den inneren Sinn und die Bedeutung der Konkordienformel als »Wiederholung« des einen Glaubens zugleich in Frage zu stellen oder einem calvinistisch-reformierten Sinn von »Reformation« zu verfallen, der eben eine Reformation nie als abgeschlossen betrachten kann? – Ich wage da kein schnelles und einfaches Urteil.
Kolbs Darstellung der Entstehung der Konkordienformel ist kirchengeschichtlich ausgerichtet, aber zugleich dogmatisch bestimmt und kommt damit dem historischen Vorgängen wohl näher als manche politische, gesellschaftliche und psychologische Analyse. Die Überschriften reichen, um dies zu belegen. Da ist erst einmal vom »Bekennen und Bekenntnis« die Rede. Da hören wir von den »Bedrohungen«, denen die Reformation nach Luthers Tod ausgesetzt war. Die einzelnen Felder – Adiaphorakontroverse (Leipziger Interim), Antinomistenstreit (Gesetz und Evangelium; gute Werke; Gesetz im Leben des Christen) Synergismusstreit (Erbsünde; freier Wille; Erwählung), Rechtfertigungstreit und Abendmahlsstreit (mit Christologie; Höllenfahrt) – werden historisch gebündelt bearbeitet. Dabei stellt die »Lösung« (!) der Konkordienformel immer den Abschluß dar. Ist das so falsch? Nicht als Konsensdokument, sondern als kompliziertes Gebilde ist die Konkordienformel und das Konkordienbuch ein außerordentliches Dokument, auch im ökumenischen Kontext, wie Kolb immer wieder betont. Sie vereint biblische Argumentation mit theologischer Wahrhaftigkeit und ökumenischer Weitsichtigkeit. Die Rolle Jakob Andreaes bei der Entstehung der Konkordienformel wird besonders hervorgehoben. Aber er war es nicht allein, der mit seinen »Sechs Predigten« (es waren Predigten, die zur Grundlage der Konkordienformel wurden!) den Anstoß gab, die Probleme nicht dadurch zu bereinigen, daß man einen Mittelweg suchte, diese Streitfragen kleinredete oder schwammige Vermittlungsversuche machte. Alles ging durch die mehrfachen Revisionen von Chemnitz und Chytraeus. Die Konkordienformel besticht darin, daß sie die Probleme anspricht. Auch der Annahmeprozeß der Konkordienformel war einzigartig. Die gesamte Pfarrerschaft war darin einbezogen (S.170). Die Konkordienformel ist also nicht nur ein Produkt eines oder weniger Theologen oder gar der weltlichen Diplomatie, sondern gerade aus Sicht der Gnesiolutheraner ein Produkt theologischer Einigungsbestrebungen. Alle, auch die Fürsten und Städte, mußten erst gewonnen werden. Und bei aller Kritik an der Konkordienformel und am Konkordienbuch wurde es zu einem Buch, daß nicht nur den Theologen und Pfarrern in die Hand gelegt wurde, sondern auch in die des »gemeinen Volkes«.
Es lassen sich natürlich verschiedene Anfragen an Kolbs Darstellung richten. Kann man z. B. lutherische und reformierte Frömmigkeit gleichermaßen auf christliches Lehren und Auslegen fokussieren (S.14)? Gibt es hier nicht erhebliche Unterschiede? War »Polemik als theologische Methode« – damals weit verbreitet – so »normal«, wie es Kolb darstellt (S.28)? Stimmt es, daß Melanchthon im Unterschied zu den Gnesiolutheranern »konservativer« war, wenn man z. B. an die Abendmahlsfrage denkt (S.62f)? Aber das alles sind Fragen, über die man trefflich streiten kann und über die es sich – im Sinne der historischen Aufarbeitung – auch zu streiten lohnt. Gerade in der Frage der »Mitteldinge« (Adiaphora) ist mir immer noch nicht ganz klar, ob letztlich eher die Philippisten oder die Gnesiolutheraner zu einem »modernen« Protestantismus neigten, der eben auch in der Liturgie ganz »naive« Anleihen beim Katholizismus (Gewänder; Weihrauch; Weihwasser usw.) macht und zugleich kein Verständnis mehr für die Lehre und Lehrfragen aufbringt oder alle Betonung auf die Wortverkündigung und Unterrichtung setzt, aber kein oder kaum Verständnis mehr für Adiophara als lebendigen, sichtbaren Ausdruck des Glaubens hat.
Kolbs Darstellung der Entstehung der Konkordienformel und des Konkordienbuchs ist allgemeinverständlich geschrieben. Lange lateinische Zitate kommen darin nicht vor. Überhaupt wird der Leser vor langen Zitaten bewahrt, was sich natürlich bei der Darstellung der einzelnen »Kriegsschauplätze« manchmal als etwas schade erweist. Denn die Weisheit in der Konfliktlösung, die in jeder der Darstellungen der Kontroverspunkte und in den Entscheidungen der Konkordienformel steckt und die Kolb sehr wohl erkennt, muß vom Leser dann doch komplett im Lesen der Bekenntnisschriften, bzw. der Konkordienformel selbst, nachvollzogen werden.
Thomas Junker

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