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Rezension

Fachbuchjournal Juli 2011

Das gehaltvolle Buch ist das erste, das Ciceros Plädoyer (nicht ganz treffend die Bezeichnung »Apologie«) für die Sache des griechischen Dichters Archias aus dem Jahre 62 v. Chr. unter vorwiegend historisch–sachlicher Fragestellung ausgiebig erläutert und kommentiert. Es ging bei dem Prozess darum, ob Archias das römische Bürgerrecht zu Recht für sich beanspruchte oder sich sozusagen habe einschleichen wollen. Etwa die Hälfte des Buches fällt auf zusammenhängende Erläuterungen des Kontextes und weitere Sachverhalte, die zweite Hälfte stellt eine durchlaufende Detailkommentierung dar; den Abschluss bilden der lateinische Text und eine neue deutsche Übersetzung. Bemerkenswert ist, dass Cicero einen großen Teil seiner Rede nicht der eigentlichen Sachfrage widmet – das allerdings natürlich auch –, sondern literarischen und Fragen und der Rolle des Griechentums für die römische Kultur; ausführlich tut er das dann einige Jahre später in seinem langen Brief an den Bruder Quintus über die rechte Provinzverwaltung. Coskun sagt mit Recht, dass diese Ausführungen nicht etwa ein Ausweichen vor der Erörterung harter Tatbestände darstellen, sondern einen integralen Teil des ganzen Plädoyers bilden; weshalb ihre übliche Bezeichnung als Argumentation »extra causam« irreführend ist.
Auch sonst ist dem Verfasser in allem zuzustimmen. Besonders nützlich ist der Abriss der römischen Bürgerrechtspolitik, der für lange Zeit gültig viele intrikate Fragen zwar nicht immer löst, aber doch luzide darstellt, vor allem diejenigen, die sich auf das sehr zögerliche römische Vorgehen im Bundesgenossenkrieg und danach beziehen. Ganz besonders instruktiv sind die Ausführungen über die persönlichen, für die römische Gesellschaft so konstitutiven Nahverhältnisse, die hier bei Archias eine wesentliche Rolle spielen. Damit sind nicht nur die zur Familie seines Hauptgönners gemeint, den Licinii Luculli, sondern etwa auch zu den Caecilii Metelli. Dass bei Vorliegen mehrerer solcher Beziehungen Konflikte auftreten konnten, zeigt die Rede selbst: Cicero vermeidet in ganz ungewohnter Weise die Angriffe auf diejenigen, die Archias verklagt haben, und das dürfte daran gelegen haben, dass das wohl Anhänger des Pompeius gewesen waren, zu dem Cicero damals in einem guten Verhältnis stand, wie eben auch zu den Luculli und modifiziert zu den Metelli. Der sehr ergiebige Detailkommentar zeigt, dass der Verfasser seine ungeheuer lange Literaturliste nicht nur aus Vollständigkeitsgründen angefertigt, sondern sie auch wirklich inhaltlich ausgewertet hat. Ein Eingehen auf Einzelfragen verbietet sich an dieser Stelle. Stattdessen sei auf ein schlagendes Beispiel gegen die unglückselige angebliche Rechtschreibereform hingewiesen: »frei sprechen« bedeutet beim Autor nicht mehr (nur) das Sprechen ohne Manuskript, sondern auch einen Freispruch herbeiführen – zwei sehr verschiedene Sachverhalte, die durch diese fatale Reglung nicht zu unterscheiden sind.
Wolfgang Schuller

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Cicero und das römische Bürgerrecht

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Cicero und das römische Bürgerrecht

Die Verteidigung des Dichters Archias
Coşkun, Altay

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