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Rezension

Jahrbuch für Freikirchenforschung (17) 2008

Walter Klaiber / Wolfgang Thönissen (Hg.), Die Bibel im Leben der Kirche. Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven, Paderborn / Göttingen 2007, PB, 245 S.
 
 
Es ist sehr erfreulich zu sehen, dass in Deutschland vor einigen Jahren das bis dato wenig gepflegte Gespräch zwischen Theologen der römisch-katholischen Kirche einerseits und den verschiedenen evangelischen Freikirchen andererseits in Gang gekommen ist. Noch erfreulicher ist, dass die Referate dieser Begegnungen in Buchform publiziert und so der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Nach Symposien zum Thema Rechtfertigung sowie Taufe trafen sich römisch-katholische und freikirchliche Theologen im Februar 2006 zu einer dritten Tagung unter dem Thema »Die Bibel im Leben der Kirchen«, das dem hier anzuzeigenden Band seinen Namen gab.
 
In mindestens zweierlei Hinsicht dürften sich hier Spannungsmomente in dieser Dialogkonstellation auftun. Da ist zum einen das tief in das freikirchliche Selbstverständnis eingeschriebene, wenn auch nicht unbedingt expliziert formulierte, so doch praktizierte Prinzip der »sola scriptura«, in dem das reformatorische Schriftverständnis nicht nur aufgenommen, sondern verschiedentlich sogar verschärft wurde, wenn zum Beispiel ‒ im Unterschied zum Luthertum ‒ das Formulieren denominationeller Bekenntnisse grundsätzlich abgelehnt wurde. Historisch gesehen wohnte auch dem freikirchlichen Ruf »sola scriptura« stets ein »antirömischer« Impuls inne.
 
Da ist zum anderen die freikirchliches Leben von seinen Ursprüngen her bestimmende Bibelfrömmigkeit, also das Vertrautsein und der lebendige Umgang mit der Heiligen Schrift im Leben der Christen. Hier empfand man auf freikirchlicher Seite von jeher eine besondere Ferne zu einer Kirche, durch deren Ämter- und Kirchenverständnis Kenntnis und Umgang mit der Bibel eher auf der Seite der Priester als auf der der Laien verortet wurde.
 
Der Band dokumentiert in seinen Einzelbeiträgen, dass es sich lohnt, nicht überlieferten Vorstellungen über die jeweils andere Seite verhaftet zu bleiben, sondern im Gespräch genau zuzuhören und nach möglichen Anschlusspunkten zu suchen. Diese bietet bereits der erste, von Peter Lüning stammende Beitrag zum katholischen Schriftverständnis, in dem er dafür eintritt, das ‒ von der Bibel und der Tradition zu unterscheidende ‒ Wort Gottes ins Verhältnis zu setzen zu einer Mehrzahl an »Bezeugungs- und Vermittlungsinstanzen«, zu denen dann nach römisch-katholischem Verständnis Bibel und Tradition gleichrangig gehören. Es wäre sehr spannend gewesen zu sehen, wie sich diese Ausführungen näherhin zum Beispiel mit dem hermeneutischen Prinzip des »Wesleyanischen Quadrilateral« ins Gespräch bringen lassen, da in der methodischen Hermeneutik Schrift, Tradition, Vernunft und Erfahrung als »Quellen und Kriterien« der theologischen Reflexion angesehen werden.
 
In der vorliegenden Form bildet das Buch jedoch die je für sich stehenden Referate ab, so dass die Bezugnahmen und Verhältnisbestimmungen vom Leser selber bedacht werden müssen. Vordergründig drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass das von den Vertretern der römisch-katholischen Kirche ins Gespräch gebrachte hermeneutische Instrumentarium mit schärferer Präzision arbeitet als das, was zum Beispiel von methodistischer Seite im Band dokumentiert wird, insofern neben wichtigen Klärungen (siehe den Beitrag von Roland Gebauer) hier doch eine Reihe von Fragen offen und Ambivalenzen ungeklärt bleiben. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob Tradition, Vernunft und Erfahrung Kriterien oder Quellen der theologischen Urteilsbildung sind; ungeklärt bleibt, was von beidem Wesley zufolge die genannten Größen sind die im Beitrag von Ulrike Schuler zitierte Literatur kommt bei genauerer Lektüre in dieser Frage gerade zu keinem übereinstimmenden Urteil. Insbesondere der Beitrag zum Bibelverständnis der Pfingstkirchen erreicht nicht das den Band als Ganzes kennzeichnende Niveau an Problembewusstsein, wogegen zum Beispiel der Beitrag von Peter Vogt (Brüderunität) die Gefahren des Losungsgebrauchs nicht ausblendet.
 
Mehrere Beiträge thematisieren den Umgang mit der Bibel in freikirchlichen Gemeinden verschiedener Denominationen. Dabei wird ‒ dem Vorurteil freikirchlicher Homogenität entgegen ‒ eine erfrischende Vielfalt an Praktiken der Bibelerschließung deutlich, wobei für den Rezensenten v. a. die Ausführungen zum adventistischen Gesprächsgottesdienst aufschlussreich waren. Auch der Hinweis auf ‒ wenn auch noch vorsichtige ‒ Entwicklungen innerhalb des Adventismus in der Frage Auslegung eschatologischer Bibeltexte ist ermutigend.
 
Der Band schließt mit einem vorzüglichen Fazit aus der Feder von Walter Klaiber. Knapp und präzise wird der Gesprächsstand in der Weise dokumentiert, dass festgehalten wird, worin sich die Gesprächspartner einig und worin sie sich nicht einig sind. Damit wird der vorliegende Band auch formal zu dem, was er der Sache nach ohnehin schon ist: eine Einladung zum weitergehenden Gespräch.
 
Christoph Raedel

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Die Bibel im Leben der Kirche

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Die Bibel im Leben der Kirche

Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven
Klaiber, Walter/Thönissen, Wolfgang/Geisser, Christiane/Gebauer, Roland/Hardt, Michael/Heinze, André/Krüger, Richard/Lange, Andrea/Lüning, Peter/Neumann, Burkhard/Pöhler, Rolf J./Schuler, Ulrike/Vogt, Peter